Mit einer zusätzlichen Strafkammer will das Landgericht weitere ungewollte Haftentlassungen vermeiden. Foto: WR Mit einer zusätzlichen Strafkammer will das Landgericht weitere ungewollte Haftentlassungen vermeiden. Foto: WR
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Wie weitere Freilassungen verhindert werden sollen

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Justizsenator Martin Günthner (SPD) will vermeiden, dass es zu weiteren ungewollten Entlassungen von Untersuchungsgefangenen kommt. Neue Stellen soll es beim Landgericht aber nicht geben, nur organisatorische Maßnahmen.

Günthner hat am Mittwoch dem Rechtsausschuss über die personelle Situation beim Landgericht berichtet.

„Es muss unter allen Umständen vermieden werden, dass es bei der Bearbeitung von Haftsachen zu Verzögerungen kommt, die zu einer Entlassung von Untersuchungsgefangenen führen. Ich bin daher froh, dass das Landgericht durch innerorganisatorische Maßnahme eine weitere Strafkammern zur Bearbeitung von Haftsachen einsetzen und zusätzlich eine neue Strafkammer einrichten wird“, so der Justizsenator.

Zwei Untersuchungsgefangene wurden schon entlassen

In der vergangenen Woche hatte das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden, dass zwei Tatverdächtige aus der U-Haft entlassen werden mussten, die unter anderem beschuldigt werden, sich wegen Menschenhandels strafbar gemacht zu haben.

Dazu war es gekommen, weil die zulässige Höchstdauer der Untersuchungshaft bis zum Gerichtstermin überschritten worden war. Der Bremische Richterbund hatte die Verzögerung mit der Überlastung der zuständigen Richter begründet.

Weitere Strafkammer mit ehemaligen Kollegen

Jetzt soll eine weitere Strafkammer hinzukommen, welche die bisherigen sieben Kammern entlasten soll. Neue Richter werden dafür aber nicht eingestellt. „Zum 1. Juni kommen drei Kollegen zurück, die in den vergangenen Jahren zu anderen Gerichten und in Ausschüsse abgeordnet waren“, erklärt Landgerichts-Sprecher Dr. Thorsten Prange.

Die Richter seien zu einer Zeit abgeordnet worden, in der die Belastung des Bremer Gerichts noch nicht so hoch gewesen sei. Dabei handele es sich um ein gängiges Verfahren. Richter, die in höhere Ämter befördert werden wollen, müssen ihr Können zum Beispiel während einer Tätigkeit bei einem Bundesgericht unter Beweis stellen.

Abgeordnete Richter kehren zurück

Jetzt sollen diese Mitarbeiter turnusmäßig zum 1. Juni zurück ans Bremer Landgericht kommen. Deshalb sei es möglich, eine neue Kammer mit drei Richtern einzurichten, so Prange.

Außerdem will das Landgericht mit einer zweiten Maßnahme der wegen Fristablaufs drohenden Freilassung von Untersuchungsgefangenen begegnen.

„Eine Kammer war bisher vom Haftturnus ausgenommen. Sie war ausschließlich mit der Abarbeitung von Altverfahren zuständig“, sagt Prange. Jetzt soll auch sie sich mit Haftsachen beschäftigen.

Justizressort: Keine dauerhafte Überbelastung

Nach Ansicht des Justizressorts ist das Landgericht zwar zurzeit mit einer ungewöhnlich hohen Zahl von Haftsachen belastet. Eine dauerhafte Überlastung sieht Günthner jedoch nicht.

„Die dem Rechtsausschuss im April und Mai präsentierten Zahlen aus dem Ländervergleich und dem Großstadtvergleich haben deutlich gemacht, dass das Landgericht im Bereich der Strafkammern jahrelang weniger als andere Landgerichte belastet war und auch bis einschließlich 2015 allenfalls den Bundesschnitt sowohl bei den Ländern als auch bei den Großstädten erreichte“, heißt es in einer Pressemitteilung des Justizressorts.

Neueinstellungen nicht ausgeschlossen

Der Justizsenator dürfe auf die interne Arbeitsverteilung beim Landgericht keinen Einfluss nehmen. Notfalls müssten andere Richter unterstützen. „Angesichts einer Stellenanzahl von 47 Richterinnen und Richtern beim Landgericht und 133 in der gesamten ordentlichen Gerichtsbarkeit, ist eine kurzfristige Überbrückung derartiger Spitzenbelastungen auch möglich“, teilt das Justizressort mit.

Langfristig schließt Günthner Neueinstellung jedenfalls nicht grundsätzlich aus. Sollten sie durch besondere Situationen erforderlich sein, wolle er sie auch veranlassen.

Richterbund ist skeptisch

Nach Ansicht von Prange wird sich die Lage zum 1. Juni entspannen. „Wir werden alle daran setzen, damit klar zu kommen“, sagte er über die geplanten Maßnahmen.

Der Bremische Richterbund bleibt skeptisch. „Aus unserer Sicht sind diese Ansätze indes nicht ausreichend, um das Problem der personellen Unterversorgung in den Straf- und Zivilkammern und in der Justiz allgemein langfristig zu lösen“, teilt der Verein Bremischer Richter und Staatsanwälte mit.

Zusätzliche Richter gefordert

Aus den vorgelegten Zahlen ließe sich errechnen, dass allein am Landgericht mindestens elf zusätzliche Richter nötig wären, die ein Jahr lang ausschließlich damit beschäftigt wären, den Aktenbestand auf ein Durchschnittsmaß abzuarbeiten.

„Wir fordern daher, der Justiz bei den Haushaltsberatungen einen angemessenen Stellenwert zu geben und vor allem Gerichte und Staatsanwaltschaft in der aktuellen Situation nicht allein zu lassen,
sondern umgehend personell zu unterstützen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Gesa Kasper.

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