Auf der hochwasserfreien Geest zwischen Weser und Ochtum siedelten schon früh Menschen. Der Name „Huchting“ ist seit 1.063 überliefert. In einem alten Dokument aus diesem Jahr ist von eine Huchtinghebroch die Rede – „und wo es einen Huchtinger Bruch gab, muss es eben auch schon ein Huchting gegeben haben“, schließt Rainer Heuer, der die Geschichte des Stadtteils in allen Einzelheiten kennt.
Der ehemalige Bauunternehmer leitet das Huchting-Archiv, trifft sich einmal die Woche mit anderen historisch Interessierten, beherbergt hunderte Dokumente und Fotos in seiner Wohnung und unzählige Fakten im Kopf. An ihm kommt nicht vorbei, wer Huchtings Geschichte ein wenig beleuchten möchte.
Huchting unter Bremer Einfluss, Grolland unter Oldenburgs
Im Jahr 1215 bekam das Dorf seine erste Kirche – vergangenes Jahr hat die St. Georgs-Gemeinde ihr 800-jähriges Bestehen gefeiert.
Die frühen Huchtinger lebten von der Landwirtschaft und handelten – und zwar vor allem mit der Hansestadt Bremen. Denn anders als Grolland, das zur Grafschaft Oldenburg gehörte, war Huchting schon früh mit der Hansestadt assoziiert.
Zeit des zweiten Weltkriegs vor kurzem erforscht
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts arbeitete manch ein Huchtinger als Landwirt, andere als Handwerker. Doch ein großer Teil der Bevölkerung der Landgemeinde war schon lange vor 1945 in der Stadt Bremen beschäftigt – bei den Beck’s Werken, in den Werften, oder auch als Verwaltungsangestellte.
Im zweiten Weltkrieg wurde die Landgemeinde von einer Hochburg der Arbeiterbewegung zum NS-Musterdorf – zumindest bezüglich der Wehrhaftmachung wurde die Gemeinde in der Nazi-Propaganda als großes Vorbild dargestellt.
Andreas Fetchenhauer hat diese Entwicklung in seinem Buch „Sup di full un fret di dick un holl dien Mul vun Politik – Politik und Alltag in Huchting von 1918 bis 1945“ beschrieben, das vergangenes Jahr erschienen ist.
1945: Huchting wird Bremer Stadtteil – und wächst
Die Zeit, an die die meisten der heute hier lebenden Menschen sich erinnern können, beginnt aber erst nach dem zweiten Weltkrieg, als Huchting eingemeindet und endgültig Teil der Stadt Bremen wurde. „Vorher hatte Huchting eigene Bürgermeister, von da an nur noch Ortsamtsleiter“, beschreibt Heuer den Wechsel.
Der neue Stadtteil war von Anfang an von Wachstum geprägt. Hatte die Landgemeinde 1941 noch 7.400 Einwohner, waren es 1955 schon 10.377, und 1975 gar 35.252.
Bremen, so erzählt Rainer Heuer, brauchte neues Bauland: In der Stadt war viel Bausubstanz zerstört worden; Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reichs zogen in die Gegend; und Familien waren in jenen Jahren oft sehr kinderreich.
Neue Siedlungen entstehen
Als erstes entstand in Huchting eine Kriegsbeschädigten Siedlung in der Straße „Bi’n Eekhoff“ . „Wer im Krieg einen Arm verloren hatte, oder ein Bein, konnte dort hinziehen“, erzählt der Freizeit-Archivar. 1953 folgte ein allgemeines Siedlungsgebiet rund um Heiligenroder Straße, Dünsener Straße und Kirchseelter Straße.
Huchting sei in den Anfangsjahren als Bremer Stadtteil auch ein beliebter Bauort für berühmte Leute gewesen, so Heuer. „Henning Scherf, Senator Moritz Thape, der Architekt Siegfried Morschel und viele andere zogen hierhin.“
Gewoba stellt günstigen Wohnraum zur Verfügung
Ab 1954 bis in die siebziger Jahre hinein baute die Gewoba in Huchting Geschossbauten mit vier bis acht Etagen – zu den ersten gehörten die Straßen rund um die Kötnerweide. Zuvor hatte es in Huchting nur Bauernhäuser, Einfamilien-, und Doppelhäuser gegeben.
„Es war damals nicht allen recht, dass alles vollgebaut wurde“, erinnert sich Heuer. „Immerhin aber wurde beim Bau Rücksicht auf die vorhandenen Straßen genommen. Das war nicht überall in Deutschland so.“
Neue Bürger ziehen nach – auch viele Migranten
Mit dem erschwinglichen Wohnraum kamen auch neue Bewohner in den Stadtteil. Seit den sechziger Jahren warb Deutschland um Gastarbeiter, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Italiener und später vor allem Türken zogen nach Bremen, um hier in den Stahlwerken, den Werften oder auch der Automobilindustrie zu arbeiten.
Viele der türkischen Einwanderer der ersten Generation verschlug es auch nach Huchting. Heute leben viele von ihnen seit gut 50 Jahren im Stadtteil, haben hier ihre Kinder groß gezogen und gehören nun oft zu den Senioren, die trotz lebenslanger Arbeit von Altersarmut betroffen sind.
29.000 Menschen wohnen heute im Stadtteil. 39,2 Prozent davon haben einen Migrationshintergrund.
Landwirte geben auf, Grünflächen kommen
Das Gesicht des Stadtteils wandelte sich weiter: Lange Zeit wurden mitten in Huchting einzelne Bauernhöfe bewirtschaftet. Der letzte Landwirt gab aber Anfang der siebziger Jahre den Betrieb auf. „Viele Bauern mussten in ihren letzen Arbeitsjahren noch einmal umschulen. Für fünf, sechs Jahre arbeiteten sie dann beispielsweise für das Gartenbauamt der Stadt“, sagt Heuer. Nur in Brokhuchting werden bis heute einige Pferde und Schafe gehalten.
Parallel zu dieser Entwicklung bilden sich aber auch neue Grünflächen zur Erholung. Für den Bau der B 75, die den Stadtteil seit 1963 durchschneidet, wurden Tonnen um Tonnen an Sand aus einem Huchtinger Feuchtgebiet geholt – der Sodenmattsee entstand.
Der Park Links der Weser hingegen konnte sich nur entwickeln, weil andere Straßenbaupläne fallengelassen wurden. 1976, vor 40 Jahren, gründete sich der Parkverein Links der Weser und kämpfte erfolgreich gegen den Bau einer Autobahn A 5 und einer Güterumgehungsbahn durch das Gebiet. Der Landschaftspark ist mit 239 Hektar heute der größte Park Bremens.
Einkaufs-Alltag verschiebt sich
Verändert hat sich die Stadt auch durch den Bau des Roland-Centers. Bei seiner Eröffnung 1972 war es eines der ersten großen Einkaufszentren Deutschlands. Mit Geschäften und Cafés ist es heute zentraler Treffpunkt für viele Huchtinger. „Allerdings sind seit der hat nach der Eröffnung auch die Vielfalt der Läden an den Straßen verkleinert“, wiegelt Heuer ab.
In dem ehemaligen, groß gewordenen Dorf entwickelten sich die städtischen Strukturen erst mit der Zeit. Zusätzliche Schulen, Kindergärten und Pflegeheime mussten gegründet werden und erste soziale und kulturelle Organisationen kamen in den Stadtteil. Die Aufgaben, die sie erfüllen, werden in einem weiteren Teil der Serie behandelt.