Die Kirchhuchtinger Landstraße in Huchting im frühlingshaften Sonnenschein. Ein möglicher Blickwinkel auf den Stadtteil Huchting, der von der Bild-Zeitung als Ghetto bezeichnet wurde. Die Kirchhuchtinger Landstraße in Huchting im Sonnenschein. Foto: Drügemöller
Stadtteil-Serie

„Kein Ghetto“ – Beiratssprecher zeigt sein Huchting

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Der Beirat distanziert sich von dem Vergleich Huchtings als Ghetto. Beiratssprecher Falko Bries wagt dazu einen persönlichen Blick auf den Stadtteil – als Beiratspolitiker, Schulhausmeister und lebenslanger Huchtinger.

Wenn Falko Bries (SPD) darüber nachdenkt, dass Huchting, sein Stadtteil, mit einem Ghetto verglichen wurde, wird er wütend. „So etwas einfach daherzuschreiben“, meint er. Bries ist Beiratssprecher und stellt im Namen des ganzen Stadtteilparlaments klar: „Huchting ist kein Ghetto und wird auch nie eines sein.“

Soziale Durchmischung wurde in Huchting früh geplant

Falko Bries hat sein Leben lang in Huchting gelebt - hier am Scharhörn ist er aufgewachsen. Der Beiratssprecher distanziert sich für den ganzen Beirat vom Ghetto-Vergleich: "Huchting ist kein Ghetto." Probleme mit Jugendliche n gäbe es überall. "Dann muss man sich einmischen." Gewalt Kriminalität Jugendgangs Streetworker

Falko Bries hat sein Leben lang in Huchting gelebt. Foto: Drügemöller

Bries will zeigen und erklären, was den Stadtteil geprägt hat und was er sich für ihn wünscht. Er spricht darüber als Beiratssprecher, der sich für die Ortsteile einsetzt; als Hausmeister an der Roland-zu-Bremen-Oberschule, wo er Entwicklungen der Jugendlichen früh mitbekommt; und als Huchtinger, der im Stadtteil geboren ist, immer dort gelebt hat und „eines Tages hier sterben möchte“.

Aufgewachsen ist der 52-jährige in den damals gerade neugebauten Geschossbauten am Scharhörn. 13 Kinder haben allein in seinem Haus gelebt, im Block weit über 60.

Ein Park schloss sich an die Wohnblocks an, direkt um die Ecke standen Einfamilienhäuser – soziale Durchmischung, die schon in den 60er Jahren geplant wurde. „Wir Kinder aus den verschiedenen Szenen haben alle zusammen gespielt, große Probleme gab es dabei nie“, erzählt Bries.

„Jugendliche müssen sich ausprobieren“

Chorknaben und -mädchen waren sie allerdings auch nicht. Bries erzählt vom Katz-und-Maus-Spiel mit den Hausmeistern, wenn sie wieder einmal auf den Müllcontainern saßen oder hinter dem Haus Fußball spielten.

Er zeigt den Baum, auf dem er seine erste Zigarette geraucht hat und berichtet, wie er das erste Mal betrunken war und im Maisfeld – so etwas gab es damals noch in Huchting – seinen Rausch ausgeschlafen hat. „Jugendliche müssen sich einfach ausprobieren“, gibt er zu bedenken.

Jugendreiche Viertel sind teils als „Ghetto“ verschrieen

In der Vergangenheit seien immer wieder einzelne Straßenzüge für einige Jahre als Problemviertel bekannt geworden oder als Ghetto verschrieen – um dann von anderen abgelöst zu werden. „Dort waren dann gerade kinderreiche Jahrgänge in die Pubertät gekommen“, so Bries. „Und herumlungernde Jugendliche machen den Leuten nun einmal Angst.“

Auch wenn er glaubt, dass sich die meisten Probleme mit der Zeit auswachsen – „einfach nur machen lassen und nicht einmischen geht trotzdem nicht.“

Jugendgangs machten in den 90er Jahren Probleme

Anfang der Neunziger Jahre gab es in Huchting ein Problem mit Neonazis. „Damals war mein Sohn klein, ich habe das nicht gerne gesehen.“

Und als der gelernte Heizungs-, Lüftungs-, und Sanitärtechniker 1996 nach elf Jahren bei Mercedes angefangen hatte, als Hausmeister an der Roland-zu-Bremen-Oberschule zu arbeiten, trieb sich regelmäßig eine Jugendgruppe auf dem Schulhof herum, die durch eine große Anzahl von Straftaten auffiel.

Streetworker brachte Jugendliche aus der Kriminalität

Der damalige Beirat setzte sich dafür ein, dass etwas unternommen wurde, die Stadt spielte mit. So kam Cem Teskin, ein Streetworker, nach Huchting. „Der hat schnell Zugang zu den Jugendlichen bekommen. Er hat sie mitgenommen, raus aus dem Stadtteil, hat ihnen Workshops und Ausflüge ermöglicht.“

Die allermeisten hätten sich schnell gefangen. Noch heute sieht der Huchtinger viele von ihnen regelmäßig im Stadtteil. „Einer ist Flugbegleiter, ein anderer hat ein Unternehmen gegründet – aus allen ist etwas geworden“, sagt Bries. Bei einigen war er sogar auf der Hochzeit eingeladen.

Die ganze Gesellschaft ist verantwortlich

Nicht die ganze Arbeit könne an Sozialarbeitern hängen bleiben – jeder müsse sich einmischen, die ganze Gesellschaft sei verantwortlich für das gemeinsame Zusammenleben und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

„Wichtig ist, dass man klar sagt, was Sache ist – aber auch, dass man ihnen mit Respekt gegenübertritt“, stellt Bries fest. „Wenn ich den bösen Hausmeister raushängen lasse, habe ich doch sofort verloren.“

Statt nur zu meckern, sei es wichtig Alternativen aufzuzeigen. „Bei mir im Hausmeistergarten liegt zum Beispiel immer ein Ball, den sich jeder jederzeit nehmen kann. Wenn es nichts anderes zu tun gibt, ist ja fast klar, dass sich die Jungs im Gullydeckel-Weitwurf versuchen.“

„Arsch in der Hose, Probleme auch anzusprechen“

„Als Hausmeister habe ich viele Schülergenerationen gesehen – heute gibt es weniger Probleme mit den Jugendlichen“, sinniert der Huchtinger. Ob durch den Streetworker, durch den Verein Vaja, oder die Nachtwanderer. „Probleme lassen sich lösen“, habe er gelernt – mit ein Anlass für sein Engagement im Beirat seit 1999.

Was Bries sonst noch gelernt hat, ob im Beirat oder als Hausmeister: „Man muss den Arsch in der Hose haben, Probleme konkret anzusprechen und anzugehen“, sagt er.

„Alle regen sich über alles auf“, redet er weiter, „aber wenn mein neuer Nachbar die Dinge anders macht als ich das gut finde, dann muss ich eben mit ihm reden und ihm vielleicht auch zeigen, wie es anders geht – und das natürlich mit Respekt.“

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