Der Buntentorsteinweg gehört zu den größten Straßen der Neustadt. Foto: Barth Der Buntentorsteinweg gehört zu den größten Straßen der Neustadt. Foto: Barth
Stadtteispaziergang

Die bunte Straße mit dem Werdersee im Garten

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Eine lebhafte Hauptstraße mit Geschäften, viel Kultur, Naherholung im Rücken und dem Friedhof vor der Tür: Der Buntentorsteinweg in der Bremer Neustadt trägt schon im Namen, welches Attribut am besten zu ihm passt.

Kaum jemand ist am Buntentorsteinweg so bekannt wie die Familie Trage – und andersherum kennen auch wenige das Quartier so gut wie die Inhaber der Traditionsbäckerei.

Ralf Trage führt das Familienunternehmen in fünfter Generation. 1877 in der Neustadt gegründet, hat die Bäckerei seit dem zweiten Weltkrieg ihren Hauptsitz am Buntentorsteinweg. Ralf Trage ist über dem elterlichen Betrieb aufgewachsen und lebt dort auch heute wieder.

Buntentorsteinweg im Wandel

Viel hat sich in in all den Jahren an der großen Neustädter Straße verändert – selbst das optische Klischee vom gemütlichen Bäcker, dem man auf den ersten Blick ansieht, wie gern er selbst seine Leckereien verspeist.

Ralf Trage ist begeisterter Läufer – und das sieht man dem durchtrainierten Konditormeister auch an. Diese etwas unerwartete Kombination ist wohl auch dem besonderen Standort am Buntentorsteinweg geschuldet – schließlich trainiert Trage regelmäßig direkt hinter seinem Betrieb am Werdersee.

Durststrecke scheint überwunden

Früher habe es in der Nachbarschaft viele Traditionsgeschäfte gegeben. Längst nicht alle hätten sich gehalten, sagt Trage. „Vor fünf bis zehn Jahren habe ich mir richtig Sorgen gemacht“, gibt er zu. Damals mehrten sich die Leerstände in der Umgebung.

Und obwohl er es selbst kaum erwartet hätte, war es ausgerechnet die Ansiedlung eines Discounters vor wenigen Jahren, die dazu beigetragen habe, die Trendwende aufzuhalten und umzukehren.

„Ich will nicht auf die grüne Wiese“

„Dadurch kam wieder mehr Laufkundschaft an den Buntentorsteinweg“, erzählt Trage. Und die neue Drogerie wenige Meter weiter hätte wohl ohne diese Entwicklung auch nicht eröffnet, glaubt er.

Langsam gerät Trage mit seiner Backstube an die Kapazitätsgrenze. An einen Umzug denkt er trotzdem nicht: „Ich will nicht auf der grünen Wiese bauen“, sagt er bestimmt.

Gastro-Meile als Empfang

Er weiß sein Quartier zu schätzen. „Das Buntentor ist wie Bremen insgesamt“, sagt er. „Bunt und offen für Neues.“ Anders als die anderen Quartiere, trägt es aber das „bunt“ schon im Namen.

Wer seinen Bummel durch den Buntentorsteinweg an seinem Beginn am Leibnizplatz startet, kommt zunächst an einer kleinen Gastro-Meile vorbei. Griechisches Restaurant, mexikanische Snacks, Döner – die Auswahl ist international.

Eine klassische Flaniermeile ist die Straße nicht. Die Straßenbahnlinie 4 rappelt vorbei, Autos sind unterwegs, überall stehen parkende Autos.

Leute werden jünger

Trotzdem reihen sich besonders im ersten Drittel die Geschäfte aneinander. Und auch dort ist der Trend zu sehen, von dem viele Menschen entlang der Straße heute noch berichten werden: Die Leute am Buntentorsteinweg werden jünger.

Im Kleidungsgeschäft für fair gehandelte Schuhe, Hosen, Pullover und mehr steht Verkäufer Marc Brauns am Tresen. „Die Neustadt hat sich unglaublich gewandelt“, erzählt er.

Planloses Bummeln ist die Ausnahme

Die Filiale des Unternehmens im Viertel gab es erst nach der Hauptstelle im Buntentor. Parallel setzt das Unternehmen auch stark auf Online-Verkauf. Aber in den neun Jahren seit Gründung sei die Zahl der Laufkunden konstant gewachsen.

Auch an diesem Mittag ist an der langen Straße einiges los. Planloses Bummeln ist die Sache der Buntentorer nicht. Die Schritte der Passanten sind zielgerichtet und zügig.

Fast vergessene Sortimente

Der Friedhof ist der Ruhepol am Buntentorsteinweg. Foto: Barth

Der Friedhof ist der Ruhepol am Buntentorsteinweg. Foto: Barth

Es finden sich so manche Läden, nach denen wohl viele erst einmal googlen müssten, bevor sie wüssten, wo man sie findet – weil man sie eben nicht so häufig braucht. Eine Glaserei gibt es genauso wie einen Pokal- und Schilderverkäufer und sogar einen Experten für Schaumstoffe.

Ein auf andere Art ungewöhnliches Konzept verfolgt das Kulturkombinat Offene Neustadt. Der Kollektivbetrieb führt das „Kukoon“.

Seit Anfang 2015 finden im soziokulturellen Zentrum Lesungen, Konzerte und viele andere kulturelle Veranstaltungen statt. Gleichzeitig ist das Ladenlokal aber auch Café – vegane und vegetarische Kost inklusive.

Lieber ins Buntentor als ins Viertel

Jakob Poliwoda hat erst Anfang dieses Jahres sein Geschäft für Vintage-Möbel eröffnet. „Ich wollte unbedingt was in der Neustadt und hatte fast schon aufgegeben“, erzählt er.

„Wir wollten mit Absicht nicht ins Viertel.“Dabei lebt Poliwoda dort sogar. Am linken Weserufer vollzieht sich aber in seinen Augen gerade der Wandel, der schon seit vielen Jahren immer wieder heraufbeschworen wurde.

Friedhof: Kontrast zum Verkehr

Mit dem ersten halben Jahr ist Poliwoda zufrieden. Die Möbel, schwerpunktmäßig aus den 1950er- bis 1970er-Jahren seien nachgefragt – selbst aus Hamburg hätten schon Kunden an den Buntentorsteinweg gefunden.

Ein absoluter Kontrast zur manchmal doch recht lauten Straße  ist der Friedhof am Buntentor. Er verbindet das Quartier mit der parallel verlaufenden Kornstraße und ist so mehr als nur Gottesacker. Für viele Neustädter ist das Areal auch ein praktischer und etwas verwunschener Verbindungsweg.

Café: Kontrast zum Kontrast

Und weil ein Kontrast für das Buntentor nicht bunt genug ist, gibt es seit einigen Jahren direkt neben dem dann doch etwas düsteren Friedhof ein farbenfrohes Café, das nicht nach Sterben aussieht und es trotzdem zum Thema macht (zum Beispiel Tragergesellschaften empfängt).

Es trägt den in diesem Zusammenhang durchaus urkomischen Namen „Radieschen“.

Kultureller Hotspot der Neustadt

Wer den Friedhof verlässt, erreicht schon bald einen der kulturellen Hotspots der Neustadt. In kleinem Radius tummeln sich hier so viele Institutionen wie sonst nirgendwo in der Neustadt.

Die Schwankhalle ist Auftritts- und Produktionsort für freie darstellende Künstler. Die Städtische Galerie zeigt bildende Kunst aus der Region und verwaltet die Sammlung des Städtischen Kunstbesitzes.

„Für die Theaterszene positiv“

In der Musikerinitiative Bremen ist eine der ersten Jazz-Musiker-Initiativen Deutschlands und nur wenige Meter weiter zeigt das Schnürschuh-Theater populäre Stücke für Kinder genauso wie für Erwachsene.

Dass sich der Buntentorsteinweg verändert, ist auch Schnürschuh-Sprecherin Josepha Maschke aufgefallen. „Für die Theaterszene ist das positiv“, sagt sie. So entdeckten Bühnenfans auch früher oder später die anderen Institutionen in der Umgebung.

„Die alten Buntentorer werden weniger“

Kurz vor dem Deichschart auf Höhe des Kirchwegs betreibt Guido Casutt seit rund 15 Jahren sein Eiscafé. Der Standort sei einer der ältesten in Bremen, sagt er nicht ohne Stolz.

Casutt lebt auch selbst im Buntentor. Dass das Quartier sich verändert, ist ihm ebenso aufgefallen wie vielen anderen. „Es verändert sich von Jahr zu Jahr. Die alten Buntentorer werden weniger.“

Mehr teurere Wohnungen

Einerseits entstünden teure Wohnungen wie gegenüber am Rewe-Standort, andererseits gebe es nach wie vor auch immer noch sozial schwache Menschen im Buntentor. „Nur in der Mitte wird’s weniger“, sagt Casutt.

Dass bei gutem Wetter die Leute trotzdem bei ihm Schlange stehen, hat er auch dem Standort zu verdanken, ist der Eisdieleninhaber überzeugt. „Das Eiscafé lebt vom Werdersee.“

Den Werdersee im Rücken

Und tatsächlich: Wo vor den Geschäften so manches Mal der Verkehr tobt, hat der Buntentorsteinweg die beliebteste Naherholungsfläche der Neustadt im Rücken. Unmittelbar angrenzend verläuft der Werdersee.

Davon profitiert auch das Fahrradgeschäft von Dorothea Rahe und ihrem Mann. „Wir haben die Radautobahn vor der Tür“, sagt sie lachend.

Abfahrt von der "Fahrradautobahn" ins Buntentor: der Deichschart. Foto: Barth

Abfahrt von der „Fahrradautobahn“ ins Buntentor: der Deichschart. Foto: Barth

Arbeiten an der „Fahrradautobahn“

In der Tat: Wer vom Deich auf den Buntentorsteinweg wechselt, tut das oft am Deichschart und brettert so direkt an Rahes Ladentür vorbei.

Für das Geschäft haben sich die Betreiber 2005 ganz bewusst entschieden. Nicht nur, weil sie selbst in der Nachbarschaft leben. Dorothea Rahe mag, wie lebhaft es am Buntentorsteinweg zu geht.

Nicht alle sind erfolgreich

Aber nicht alle können von der Lebhaftigkeit und der Nähe zum beliebten Werdersee profitieren. Das Irish-Pub gegenüber ist nach mehreren Betreiberwechseln in den vergangenen Jahren mal wieder geschlossen. „Wir ackern uns für die Bürokratie gerade ab und hoffen, schnell wieder öffnen zu können“, steht an der Tür.

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