„Waldmeister und Himbeere“ sagt Kristin bestimmt – das seien ihre Lieblingseissorten. Die junge Eisspezialistin sitzt mit ihrer Familie auf den Bankgruppen vor dem Eiscafé de Luca an der Vegesacker Straße.
Die drei wohnen nicht direkt in der Vegesacker Straße. „Aber wir mögen die Eisdiele hier“, erklärt Kristins Mutter Antje Gieffer. „Die Bänke davor sind schön, auf dem ganzen Platz können sich Familien aufhalten. Und natürlich mögen wir die Bäume.“
Die Bäume, vor allem viele Linden, durchziehen die ganze Vegesacker Straße. Neuere Bauten wechseln mit klassischen Bremer Häusern samt inhabergeführten Ladengeschäften ab – keine Filialen, die Läden dieser Straße sind hier zu Haus.
Walle für Feinschmecker
Recht edel geht es direkt neben der gut besuchten Eisdiele zu. In der „Kalten Ente“ gibt es feine Weine und Brände – Inhaber Ulf Lenz war aber auch einer der ersten Geschäftsleute in Walle, die das Projekt Freifunk mit einem W-Lan-Hotspot unterstützten.
„Hier gibt es die leckeren Frikadellen“, wird im Schaufenster von Fleischerei Lang einige Schritte die Straße hinunter recht schlicht aber überzeugend geworben. 2015 hat der Laden vom „Feinschmeckermagazin“ den Titel „Eine der besten Metzgereien Deutschlands“ verliehen bekommen.
Öffnungszeiten wie vor zwanzig Jahren
Ob dieses Urteil verdient ist, kann leider nicht getestet werden – an diesem späten Montagnachmittag hat die Fleischerei schon geschlossen. Auch die ausgefallenen Kleider bei „Mein Laden“ können um diese Uhrzeit nur durch das Schaufenster betrachtet werden.
Wer samstags nach 13 Uhr in der Vegesacker Straße unterwegs ist, wird an vielen geschlossenen Türen vorbeikommen. Wochentags schließen die Läden zwischen 16 und 19 Uhr – ungewohnte Öffnungszeiten für Menschen, die sonst Filialen großer Ketten besuchen. Die Uhren ticken hier anders.
Im Naturkostladen haben Stammkunden eigene Konten
Im Blockhaus ein paar Meter weiter hat man Zeit. Während die Kunden Zwiebel, Biobier, Müsli, Käse oder biologische Putzmittel über den Verkaufstresen an Erwin Jäckel weitergeben, wird über dies und jenes geplauscht.
Man kennt sich. Jäckels Kunden sind Stammkunden – viele haben sogar ein eigenes Einkaufskonto in seinem Naturkostladen, so dass nicht jeder Einkauf bar bezahlt wird. „Manche zahlen einmal die Woche fünf Euro ein; einer meiner Kunden kommt aber auch zweimal im Jahr mit einem Tausender vorbei“, so Jäckel. Neben Kundentreue gehört dazu wohl auch: Vertrauen.
Weniger Geschäfte: Die Vegesacker Straße hat sich verändert
Dieses Vertrauen ist über die Jahre gewachsen: Jäckel führt den Naturkostladen an dieser Stelle schon seit 1990. Seitdem habe sich die Straße verändert: „Früher war es noch schöner und viel grüner hier; aber vor zehn Jahren hat die Stadt die Straße umgebaut.“
Eigentlich sei damals das Versprechen einer fahrradfreundlichen Straße gegeben worden, erzählt der Geschäftsinhaber. „Stattdessen weichen viele Radfahrer auf den Bürgersteig aus, weil sie sonst Angst vor dem Verkehr haben müssen.“
Einige Geschäfte hätten im Laufe dieser Bauarbeiten aufgeben müssen: „Es war damals belebter“, so Jaeckel. In jedem Haus habe es Läden gegeben, bestätigt auch die Inhaberin des Bettengeschäfts von gegenüber, das schon seit 82 Jahren besteht.
Gastronomie und Kult-Kneipen rund um die Vegesacker Straße
Für Leben sorgen in der Straße aber immer noch gleich vier Restaurants – mit Inder, Portugiesen, Chinesen und einem Bistro ist ein weites Spektrum abgedeckt.
Mit dem Hart Backbord, der Sportklause und „Er & Sie“ gibt es zudem drei Kneipen, weitere finden sich in den Nebenstraßen – kein Wunder, dass sich quasi als Gegenpol auch die Guttempler in der Straße niedergelassen haben.
Geselliges Leben auch vor den Kiosks
Treffpunkte für die Bewohner sind auch die beiden Kiosks – einer davon ist das Wallou. Weiße Mäuse und anderes Gummigetier, Saures und Supersaures, Zuckerbälle mit Kaugummi in der Mitte, zungenfärbende Kugeln und Kaugummistreifen mit Spucketattoo – die Indizien sind klar: Das „Wallou“ liegt gegenüber einer Schule, der Oberschule an der Helgolander Straße, um genau zu sein.
Während der Ferien hat es „erst“ um acht Uhr geöffnet – spätestens dann aber muss Manuela Wendelken pünktlich parat stehen, „denn die Kunden sind es so gewöhnt und stehen sonst vor der Tür – mit einem Geschäft wie diesem muss man verlässlich für die Leute da sein.“
Das „Wallou“ als ein Treffpunkt des Ortsteils
Seit zehn Jahren zeigt das Wallou jetzt diese Verlässlichkeit. „Ich komme jeden Morgen hierher, wenn ich nicht krank bin“, erzählt Michael Stütelberg. „Die Croissants gehören zu den Besten in Bremen.“
Das Wallou beschreibt der Stammgast als Kiosk, Café und Treffpunkt in einem. „Die Leute hier bilden geradezu einen Freundeskreis“, so Stütelberg. „Es wird gelacht, politisiert, und einmal im Jahr gestritten.“
Karneval in Walle
Hinter dem Kiosk wird es etwas ruhiger, vor allem Wohnhäuser prägen diesen Teil der Straße. Ein Penny-Markt versorgt den Stadtteil mit den alltäglichen Notwendigkeiten.
An der Waller Heerstraße schließlich mag man schon gewillt sein, umzukehren, zurück zur Eisdiele, in Richtung Wochenmarkt am Wartburgplatz, um dort eine leckere Pizza in der unscheinbaren Pizzeria Milano zu essen. Doch wer stattdessen noch weitergeht, der entdeckt „Bei Jürgen“ – Sitz des Karnevalsvereins „Nordlichter“, samt „Früh Kölsch“-Ausschank. Walle Alaaf!