Euro: Die Politik des billigen Geldes hält an. Foto: pixabay Euro: Die Politik des billigen Geldes hält an. Foto: pixabay
Gastkommentar

Nullzins: Hickel fordert öffentliche Investitionen

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Den Leitzins lässt die Europäische Zentralbank bei Null. Was dahinter steckt, und warum die Wirtschaft jetzt Investitionen braucht, sagt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Dr. Rudolf Hickel in seinem Gastkommentar.

Von Rudolf Hickel

„Wer auf eine grundlegende Änderung der Geldpolitik bei der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank gewettet hat, der zählt zu den Verlierern. Die Euronotenbank lässt den Leitzins, zu dem sich die Geschäftsbanken mit Noten­bankgeld eindecken, beim Rekordtief von 0,0 Prozent. Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, zahlen weiterhin den Strafzins mit 0,4 Prozent.

Sollte der Brexit das Wirtschaftswachstum belasten, wäre eine weitere Drehung dieser ultrabilligen Geldpolitik möglich. Nach dem bisherigen Muster wird unerbittlich weiterhin extrem billiges Geld in die Realwirtschaft gepumpt. Dazu gehört auch der An­kauf vor allem von Staatsanleihen.

Überflutung mit Billiggeld zu Minus­zinsen

Rudolf Hickel   Foto: WR

Rudolf Hickel Foto: WR

Der Kauf der Mitte Juli aus­gege­benen 10-jährigen Bundesanleihe ohne Zinsanspruch wird erstmals mit einer Rendite von Minus 0,05 Prozent zum Minusgeschäft. Seit Anfang Juni kauft die EZB den Banken auch Unternehmensanleihen ab. 158 Unter­nehmen profitieren mit insgesamt über 10 Mrd. €. Dabei sind die Deutsche Bahn, Metro, Siemens, die Bosch AG sowie auch Anheuser-BuschInbev, aber auch die schlecht bewer­tete Kali +SalzAG.

In der Gesamtwirkung führt die Überflutung mit Billiggeld zu Minus­zinsen und den Run auf die Aktienmärkte. Die Zinssätze auf Ersparnisse bewe­gen sich weiterhin in der Nähe von Null. Nach Abzug der Inflationsrate verliert das Sparvermögen real an Wert. Die Gefahr, dass nicht mehr nur vereinzelt viele Geschäftsbanken dazu übergehen, zumindest für hohe Summen von Ein­legern einen Strafzins zu verlangen, ist groß. Denn was sollen sie mit der über­schüssi­gen Liquidität gewinnbringend anfangen?

EZB als Inflations­erzeuger, das ist richtig.

Was sind die Gründe für die fortgesetzte Minuszins-Geldpolitik? Das Wirt­schaftswachs­tum im Euroraum, das anhaltend zu schwach ist, soll angekurbelt werden. Ursache ist die anhaltend geringe Bereitschaft zu unternehmerischen Investitionen.

Über billige Zinsen für die Kreditaufnahme will die EZB einen An­reiz schaffen. Die EZB kämpft auch durch mehr an Nachfrage um eine Erhöhung der Inflationsrate bis zur Zielin­flati­onsrate von zwei Prozent. EZB als Inflations­erzeuger, das ist schwer be­greifbar, aber richtig.

Diese neue Geldpolitik hat sicherlich den tiefen Absturz der Eurowirtschaft ver­hindert, ihre Ziele erreicht sie jedoch nicht: Das auffällig schwache Wirt­schaftswachstum im Euroland wird absehbar nicht überwunden. Die Investitio­nen der Un­ternehmen bleiben trotz der günstigen Finanzierungsbedingungen schwach. Die Inflationsrate bewegt sich in der Nullzone.

Pferde an die Tränke geführt, aber sie saufen nicht

Was sind die Ursachen für die Erfolglosigkeit dieser voll ausgereizten Geldpoli­tik? Es gelingt immer weniger, die gigantischen Geldmittel aus den Finanzmärk­ten und speziell aus dem Bankensystem in die Finanzierung der Produktions­wirt­schaft zu lenken. Die gigantischen Ersparnisse werden unzureichend durch Unternehmen in Produktion transformiert.

In diesem Klima erhöht die Geldpo­litik der EZB diese Geldschwemme, treibt die Aktienkurse hoch. In Erinnerung an Karl Schiller, die Pferde werden an die billig finanzierte Tränke geführt, aber sie saufen nicht.

Fiskalpolitik muss Investitionsfelder erschließen

Gibt es ein Entkommen aus dieser Liquiditätsfalle? Ja, die Geldpolitik erbringt ihre Vorleistung für die wirtschaftliche Besserung. Aber sie ist bei der Schaffung aus­reichender Nachfrage, die die Auftragsbücher der Wirtschaft füllt, völlig über­fordert.

Die Fiskalpolitik muss die Investitionsfelder erschließen, die für die Pri­vatwirtschaft nicht rentabel, jedoch nützlich sind. Derzeit stößt jedoch die ex­pansive Geldpolitik auf eine restriktive Finanzpolitik, die im Euroland auf Schrumpfen setzt.

Draghi wird durch Schäuble ausgebremst. Deshalb gilt: Die Wirtschaft sollte mit nützlichen Infrastrukturinvestitionen auch zugunsten künf­tiger Generationen angekurbelt werden. Arbeitslosigkeit wird vermieden, die öffentliche Infrastruktur gestärkt und die Staatshaushalte werden finanzierbar. Eine Rückkehr zu „normalen Zinsen“ für die Sparerinnen und Sparer ist ohne ak­tive Finanzpolitik nicht möglich.

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