Die Bußgeldstelle des Bremer Stadtamt ist in Personalnot geraten, mindestens 400 Fälle konnten nicht bearbeitet werden. Das war am Dienstag bekannt geworden. Die Amtsleiterin Marita Wessel-Niepel räumte einen akuten Personalmangel ein, wies aber zurück, dass es sich um einen Notstand handelt.
Die vorsitzende Personalrätin des Stadtamtes, Dörte Scholz ist über diese Aussagen verärgert: „Vier Kollegen sind in Rente gegangen, aber die Arbeit hat zugenommen, wie sollen wir das leisten?“, fragt sie.
Scholz sagt, neben den fehlenden Sachbearbeitern sei zudem die so genannte „Clearingstelle“, bei der alle Ordnungswidrigkeiten, also auch Falschparker oder Raser eingehen, nur noch zur Hälfte besetzt. „Ordnungswidrigkeiten verjähren nach drei Monaten. Und bis sie beim Sachbearbeiter landen, dauert es“, so Scholz. Die Mitarbeiter wüssten nie, ob sie nicht „für die Tonne“ arbeiten. „Wenn es mehr Verkehrsüberwachung und Blitzer gibt, brauchen wir mehr Personal“, so Scholz.
Stadtamt lässt kleinere Vergehen unter den Tisch fallen
„Wir schreiben jetzt drei Stellen aus“, sagt Stadtamtsleiterin Marita Wessel-Niepel. „Die 400 Fälle sind aber nur ein Bruchteil aller Verfahren“, so Wessel-Niepel. 451.000 Verwarnungen hätte man im vergangenen Jahr bearbeitet, 65.700 schwere Fälle.
Hinzu käme, dass die Fälle die von der Staatsanwaltschaft an das Stadtamt übergeben würden, in der Regel aufwendig seien. „Oft muss die Schuldfrage geklärt werden oder Nachfragen von Anwälten müssen beantwortet werden“, so Wessel Niepel. Wenn die Vergehen dann aber nur ein Bußgeld unter 55 Euro nach sich ziehen würden, stünden Aufwand und Nutzen nicht im Verhältnis. „Wir arbeiten nach Priorität, die 400 Fälle sind kleinere Vergehen“, sagt die Amtsleitung.
Das könne ihr Kollegen vom Ordnungsamt in Bremerhaven nicht nachvollziehen: „Wir bearbeiten alle Fälle. Krankheitsbedingte Ausfälle haben wir auch, deswegen kommt es aber nicht zu Rückständen“, sagt Horst Keipke. Das Vorgehen in Bremen sei nicht normal.
Personalrat kritisiert Einsparungen im Stadtamt
Das sieht auch der innenpolitische Sprecher der CDU, Wilhelm Hinners, so und fordert vom Innensenator, die interne Organisation endlich zu verbessern. „2014 gab es unter dem alten Staatsrat dafür eine Arbeitsgruppe, doch von der hört man nichts mehr“, so Hinners.
Umstrukturiert habe man bereits viel im Stadtamt, erklärt Dörte Scholz: „Hier waren schon viele Firmen, die für mehr Effizienz bei den Mitarbeitern sorgen wollten“, sagt sie. Das sei zum Teil auch gelungen. „Aber solange unser Kernpersonal wegen der PEP-Quote immer weiter verkleinert wird, leidet die Arbeit darunter“, sagt Scholz.
Die Personal-Einsparungs-Quote (PEP) hat Bremen in Zusammenarbeit mit dem Stabilitätsrat in Berlin erlassen. Sie sieht vor, in der öffentlichen Verwaltung stellen abzubauen, um Kosten zu sparen. Davon ausgenommen sind Lehrer und Polizisten.
„Wir als Personalrat haben schon lange darauf hingewiesen, dass es mit so wenig Mitarbeitern irgendwann zu Rückstaus kommt“, sagt Scholz. Gehandelt werde in Bremen aus ihrer Sicht aber immer erst, wenn der Druck zu groß werde. „Beim Standesamt hat man so lange gewartet, bis nur noch fünf Mitarbeiter dort waren“, erinnert die Personalrätin.
Dass es zu immer weiteren Krankheitsfällen kommt, wundert sie nicht. „Die Mitarbeiter sind derart überlastet, das macht krank. Deswegen bewerben sich auch manche weg, sie halten es einfach nicht mehr aus“, so Scholz.
Innenbehörde sieht keinen Notstand
Ob es noch mehr Hiobsbotschaften aus dem Stadtamt geben wird, kann Scholz nicht genau sagen. „Fakt ist: Wir wissen nicht, wie wir unsere Arbeit noch schaffen sollen und es kommt immer mehr dazu.“
Die zuständige Innenbehörde sagt, sie wisse um die knappe Personaldecke im Stadtamt. „Das ist nicht ideal, aber es gibt nun einmal die PEP-Quote und wir können uns nur in dem Rahmen bewegen, der uns zur Verfügung steht“, sagt Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler. Man habe schon mehr Stellen geschaffen.
Einen Notstand sieht Gerdts-Schiffler bei der Bußgeldstelle nicht. „Das sind besondere Fälle, man kann wirklich nicht von einem Notstand sprechen.“ Sie habe das Gefühl, dass in diesem Fall aus einer Mücke ein Elefant gemacht werde.