„Komm rüttel mich, komm schüttel mich, wir sind alle miteinander reif“, ruft der Apfelbaum mit seinen Äpfeln im Märchen von Frau Holle. Und wie dereinst Goldmarie, so lassen sich auch heute zahlreiche Obstsammler nicht lumpen, hören auf die Rufe der reifen Früchte, und pflücken an Wald, Wiesen und Wegesrand alles, was essbar ist.
Seit 2009 sind die Sammler sogar organisiert: Die Organisation Mundraub hat es sich zur Aufgabe gemacht, Obstsucher miteinander zu vernetzen und Infos auszutauschen, wo wildwachsende Früchte zu holen sind. „Wir wollen nicht, dass soviel Obst verdirbt“, erklärt Andie Arndt, die Sprecherin des Mundraub-Teams.
Es muss sich um herrenlose Pflanzen handeln
Auf einer Online-Karte können alle Fundorte für Früchte und Kräuter eingetragen werden. Ganz wichtig dabei: Es muss sich um „herrenlose“ Pflanzen handeln, Privatgärten sind tabu – solange nicht der Gartenbesitzer selbst sie zur Verfügung stellt.
Nüsse und Brombeeren auf einer Brachfläche zwischen Walle und Findorff, ein Holunderbeerstrauch vor der Hochschule, Birnen und Esskastanien an der Uni und Äpfel vor dem Weserstadion – wer unter www.mundraub.org auf der Karte im Bremer Gebiet sucht, wird auch fündig.
137 Fundstellen sind in Bremen eingetragen
Die Hansestadt ist aber noch keine Hochburg der Wildsammler. 137 Fundstellen sind hier eingetragen, in der näheren Umgebung noch weitere 112. Zum Vergleich: Im ähnlich großen Leipzig sind es 967.
Bremen ist also noch Entwicklungsland für Mundräuber – wer Abhilfe schaffen und selbst Fundorte auf der Karte eintragen möchte, kann sich ganz einfach registrieren. „Wenn man einmal als Mundräuber unterwegs war, bekommt man einen ganz anderen Blick“, berichtet Arndt. „Plötzlich sieht man überall Pflückstellen und entwickelt ein anderes Gefühl für die richtige Obstsaison“.
„Die Idee von Mundraub finde ich grundsätzlich gut“, meint Florian Biener vom BUND Bremen. „Allerdings sind die Karten vor allem für die Fundstellen in ländlichen Gebieten wichtig – dort pflücken meist viel zu wenige“, meint er. „In der Stadt hingegen verkommt wenig. Hier gibt es so viele Menschen, dass wilde Früchte meist auch geerntet werden.“
Auf in die Mundraub-Praxis
Doch grau ist alle Theorie, auf in die Mundraub-Praxis! Eine Fundstelle mit Saison-Obst in der Nähe ist auf der Karte schnell gefunden – wir fahren zu einem Apfelbaum, der vor dem Segelhafen am Weserstadion eingezeichnet ist. Und tatsächlich, der Baum ist schnell entdeckt und trägt jede Menge Äpfel. Die meisten allerdings in unerreichbarer Höhe – die ersten Pflücker sind wir hier schonmal nicht.
Sollen wir etwa hochklettern? Zum Glück findet sich doch noch ein niedrig hängender Apfel. Uund was für einer: Klein und knackig, appetitlich und schon recht rot sieht er aus. Ich beiße herzhaft hinein – und spucke fast wieder aus, die Augen zugekniffen. Sauer, sauer, sauer! Bei allem Enthusiasmus: Mit dem Rütteln und Schütteln sollte wohl besser noch ein paar Tage gewartet werden.