Das klingt schon ziemlich eigenartig: Da sitzen Schüler zusammen, denken sich Verschwörungstheorien aus und dafür gibt es dann auch noch den neuen Medienkompetenz-Preis „Das Ruder“, den die Bremische Landesmedienanstalt verleiht.
Lisa Hempel von der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus, und Markus Gerstmann vom ServiceBureau Jugendinformation stecken hinter dem Workshop „Hey, ich schwöre das stand so im Netz!“.
Verschwörungstheorien als Grundlage für Hasskommentare
„Überall im Internet und besonders in den sozialen Medien kann man Hasskommentare lesen“, sagt Lisa Hempel. Und nicht selten werde dabei mit Argumenten gearbeitet, die sich beim genaueren Ansehen als Verschwörungstheorie entpuppen.
„Im vergangenen Jahr hat ein Jugendlicher in einem anderen Kurs erzählt, er habe auf einer seriösen Nachrichtenseite gelesen, in Bayern dürfe man nicht mehr ,Grüß Gott‘ sagen“, erzählt die Bildungsreferentin. Gemeinsam mit dem Jungen recherchierte sie nach.
Jugendliche glauben dem Internet
Was der Junge für eine seriöse Nachrichtenseite gehalten hatte, war am Ende eine Website von Rechtspopulisten. „Die Inhalte, die gepostet werden, werden gerade von Jugendlichen oft für bare Münze genommen“, warnt die Soziologin. „Was sie online lesen, hat für sie eine höhere Glaubwürdigkeit als das, was in der Zeitung steht.“
Workshops, die Jugendliche darüber aufklären, was Hasskommentare genau sind, gebe es reichlich, sagt Hempel. „Aber das reichte uns nicht. Wir wollen mit dem Workshop auch die emotionale Ebene ansprechen.“
Mit Humor gegen Hasskommentare
Das versuchen Hempel, Gerstmann und ihre Mitarbeiter unter anderem über Humor. Deshalb sollen die Schüler sich auch selbst Verschwörungstheorien ausdenken. Dass die Kreativität der Jugendlichen dafür ausreicht, haben die Referenten schon im Rahmen eines anderen Kurses ausprobiert.
„Die Ergebnisse sind sehr lustig, zeigen aber gleichzeitig auch, wie schwierig es ist, hoch emotionalisierten Verschwörungstheorien mit sachlichen Argumenten zu begegnen“, erklärt Hempel.
Codes hinter Hass-Posts entdecken
„Hey, ich schwöre das stand so im Netz“ ist nur ein Modul in einer ganzen Unterrichtsreihe, die unter dem Titel #denknett läuft. Im Workshop „Spürnasen“ lernen die Teilnehmer, wie sie in Kommentaren auf Plattformen wie Facebook typische Codes entdecken, die auf die politische Gesinnung ihres Urhebers schließen lassen.
Dabei lernen die Schüler auch, welche Informationen Symbole und unterstützte Facebook-Gruppen über den jeweiligen Nutzer erst auf den zweiten Blick verraten. In einem Modul über schwarzen Humor geht es um scheinbar ironisch gemeinte, rassistische Witze.
Auch ein Kurs über rassistische Witze
„Auf Facebook gibt es zum Beispiel eine Gruppe, die heißt ,Mein Humor ist so schwarz, der fängt gleich an Baumwolle zu pflücken“, berichtet Hempel. Witze, die in diese Kerbe schlagen, haben ihrer Ansicht nach „nichts Humoristisches“. In dem Workshop soll es deshalb auch darum gehen, woher die Witze kommen – und darum, dass ihre ursprünglichen Urheber sie oft eben doch nicht so ironisch meinen, wie viele, die sie später teilen.
Auch mit der „Lügenpresse“ können es Schüler in einem entsprechenden Workshop aufnehmen. „Wir wollen Journalisten einladen, die von ihren Erfahrungen berichten – und auch davon, wie sie damit umgehen, wenn sie etwas Falsches berichtet haben“, sagt Hempel.
Auszeichnung wird am Donnerstag übergeben
Ab sofort können Schulen die Unterrichtseinheiten buchen. Die Mitarbeiter von Lidice-Haus und ServiceBureau Jugendinformation kommen dann in die Schulen – für einen Tag oder länger. Je nachdem, welche Module die Schule bucht.
Am Donnerstagabend werden die beiden Institutionen erst einmal für ihre Idee zu „Hey, ich schwöre das stand so im Netz“ ausgezeichnet. Als eines von drei Projekten erhalten sie den Medienkompetenz-Preis „Das Ruder“, der in der Freien Union Brauerei verliehen wird.