Lea M. (Name geändert) hat ihr erstes Kind 2014 im Klinikum Bremen-Nord zur Welt gebracht. Zwei Stunden nach dem Einsetzen der Wehen kam „endlich eine Schwester“, so M., die ihr empfahl, in den Kreißsaal zu gehen. Unter Schmerzen habe sie den Weg gerade so zurücklegen können.
Von der Hebamme dort fühlte sich M. „überhaupt nicht ernst genommen“, und schon nach kurzer Zeit sei die Geburtshelferin zu einem Notfall gerufen worden. Sie kam nicht wieder. Bei der fünfstündigen Geburt und Entbindung mit Dammschnitt habe M. nur in der letzten Stunde noch eine Hebamme an ihrer Seite gehabt: „Vom Wehenbeginn bis zur Muttermundsöffnung waren es knapp vier Stunden, in denen ich alleine zurechtkommen musste“, schreibt M. an den Weser Report. Sie nennt die Geburt eine „Grenzerfahrung“.
Mehr als 1.000 Mitzeichner
Auch der Elternverein „Mother Hood“ kritisiert die geburtshilfliche Versorgung in Bremen. Mit einer Petition, die online und auf Papier derzeit mehr als 1.000 Menschen unterzeichnet haben, fordert er, dass Geburtshelfer künftig nur noch eine Gebärende zurzeit betreuen. Das Problem: Die Personalsituation der Hebammen ist laut Heike Schiffling, Vorsitzende des Hebammen-Landesverbandes Bremen, „schlecht“.
Insbesondere Stadtteile wie Gröpelingen oder Oslebshausen hätten einen hohen Bedarf. Die zeitintensive Phase der Frauen im Wochenbett werde zur Zeit nicht ausreichend betreut, zudem sei eine gleichzeitige Betreuung mehrerer Frauen unter der Geburt kaum verantwortungsvoll zu gestalten. Schiffling ist zudem Sprecherin des „Bremer Bündnis natürliche Geburt“, auf dessen Forderung auch die Petition eingeht.
Auch Kaiserschnittrate im Blickpunkt
Dass Hebammen in Krankenhäusern zwei oder mehr Mütter gleichzeitig betreuen, ist kein reines Bremer Problem. Laut dem Deutschen Hebammenverband betreuen bundesweit 95 Prozent der Geburtshelfer in Kliniken häufig mindestens zwei Gebärende gleichzeitig.
Eine weitere Forderung aus der Petitiion: Die Kaiserschnittrate, im Vorjahr 30,5 Prozent, ist zwar rückläufig, müsse aber deutlich gesenkt werden. Zur Umsetzung der Forderungen aus der Petition sei vor allem mehr Geld und ein „besserer Personalschlüssel“ notwendig, so Nathalie Wessels, Landeskoordinatorin bei „Mother Hood“. „Die Ärzte und Hebammen leisten tolle Arbeit“, sagt sie, „aber sie stehen unter enormem Druck und haben eine hohe Arbeitsbelastung“.
Personalbemessung in Eigenverantwortung der Kliniken
Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) hingegen bewertet die Zahl der Hebammenstellen in den Bremer Kliniken zwar als „ausreichend bemessen“. Der generelle Fachkräftemangel im Gesundheitswesen betreffe aber auch die Geburtshelfer. Sie verweist darauf, dass die Personalbemessung in Eigenverantwortung der Krankenhäuser erfolge, dennoch müsse Bremen mehr Hebammen gewinnen und binden.
Zwei der fünf Krankenhäuser mit einer Geburtshilfe im Land Bremen geben laut einer großen Anfrage an den Senat vom vergangenen Sommer an, dass eine 1:1-Betreuung von Hebamme zu gebärender Frau in der Regel gewährleistet werden könne – abgesehen von Belastungsspitzen. In einem Krankenhaus könne dies nur „punktuell erfolgen“, in zwei weiteren “aufgrund der steigenden Geburtenzahlen überwiegend nicht“.
Angst vor Klagen bei Ärzten und Hebammen
Eine 1:1-Betreuung sei zwar auch hilfreich für eine Senkung der Kaiserschnittrate, doch Schiffling benennt diesbezüglich unter anderem noch ein weiteres Problem: Bei Ärzten und Hebammen sei eine Angst vor Klagen bei Schäden nach der Geburt verbreitet und führe „zu einer Übervorsicht“, sagt sie.
Bevor sie sich vor Gericht verantworten müssen, machen sie dann lieber „zehn Kaiserschnitte zu viel als einen zu wenig“. Klagen würden häufig die Krankenkassen der Mütter, um Pflegekosten abzuwälzen.
Sie „sprechen von einer Zwangsteilzeit“
Einen genauen Überblick über in Bremen beschäftigte Hebammen gibt es nicht. Laut Senat gibt es rund 80 Vollzeitstellen in den Kliniken, hinzu kommen Schifflings Einschätzung zufolge etwa 120 Freiberufliche, von denen aber viele in Teilzeit arbeiten. Auch die Stellen in den Kliniken seien auf mehr Köpfe verteilt, da nur etwa 20 Prozent in Vollzeit arbeiten würden.
„Viele können das körperlich nicht leisten und sprechen von einer Zwangsteilzeit, wegen der hohen Belastung“, so Schiffling. Sie forderte jüngst in einem Schreiben an die Senatorin eine Erhebung über den Bedarf, das Arbeitsvolumen und den Bestand an Hebammen.
Ausbildung bald in Bachelor-Studiengang
Quante-Brandt möchte die Geburtshelfer in ein anstehendes Gesundheitsberufe-Monitoring aufnehmen. „Wenn wir das erfassen, dann richtig“, wünscht sich Schiffling, auch vor dem Hintergrund, dass die Ausbildung ab 2020 von den Fachschulen in einen Bachelorstudiengang übergeht und ein Bedarf an Studienplätzen bestimmt werden müsse.
Weitere Forderungen der Petition sind: Anreize für die Ausbildung und Niederlassung von Hebammen in Bremen zu schaffen, die Qualität der Geburtsbetreuung unabhängig vom Einkommen zu sichern, ein Ausbau des Angebots von Hebammenkreißsälen und ein Bedarfs-Monitoring, um ein ausreichendes geburtshilfliches Angebot in Bremen sicherzustellen Die Petition ist noch bis zum 27. Dezember auf der Homepage der Bürgerschaft eingestellt.