Die Cricket-Meister aus Bremen in der Mannschaftsaufstellung. Foto: privat Die Cricket-Meister aus Bremen in der Mannschaftsaufstellung. Foto: privat
Cricket-Team

Deutsche Meister: Vom Flüchtlingsheim ins Rathaus

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Ein Deutscher Meister aus Bremen in einer Mannschaftssportart? Gibt‘s nicht allzu häufig. Das Cricket-Team, das von einer Frau trainiert wird und in dem afghanische Flüchtlinge spielen hat eine märchenhafte Geschichte.

Beim Fototermin im Rathaus hatten sie die weiße Cricket-Uniform gegen schwarze Anzüge und rote Krawatten getauscht. Das Herrenteam der SG Findorff durfte sich als Deutscher Meister in das goldene Buch der Stadt Bremen eintragen. Nicht alle der elf Spieler konnten sich ihren Schlips selber binden, für einige erledigte das Nisar Tahir, die Trainerin des Teams.

Dass es in Bremen überhaupt eine derart gute Cricket-Mannschaft gibt, ist der tatkräftigen Frau mit pakistanischen Wurzeln zu verdanken, die aus ein paar Hobbyspielern und einer Schul-AG eine Abteilung formte, die inzwischen drei Jugend-Teams, eine Frauen- und eben die erfolgreiche Herren-Mannschaft unterhält.

Cricket-Team gewann alle vier Nordderbys

Nisar Tahir trägt sich ins Goldene Buch ein.

Ihr Ehemann steckte sie vor 25 Jahren mit der Begeisterung für den Sport, der vor allem in den ehemaligen britischen Kolonien äußerst populär ist, an. Von Anfang hatte sie mit Widrigkeiten zu kämpfen. „In der Schul-AG meldeten sich viele Kinder an, ohne zu wissen, was Cricket überhaupt ist“, erinnert sie sich an die Anfänge 2012. Vielen fehlte die Geduld für die in Deutschland relativ unbekannte Sportart, aus der sich im 19. Jahrhundert in den USA auch der Baseball entwickelte.

2013 startete dann doch das Herrenteam der SG Findorff – vorwiegend bestehend aus pakistanischen und indischen Studenten und Einwanderern, die aus dem gesamten norddeutschen Raum kamen, um in Bremen Cricket zu spielen. Höhepunkte waren oft die Duelle mit dem Hamburger SV, der eine große Cricket-Abteilung hat. „‚Kennt ihr das Nordderby?‘, habe ich meine Spieler gefragt. Wir dürfen als Bremer auf keinen Fall gegen den HSV verlieren“, so die 47-Jährige über ihre Motivations-Taktik, die offensichtlich fruchtete: „Wir haben alle vier Derbys gegen den HSV gewonnen.“

Deutsche Meisterschaft im Oktober gewonnen

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle im vergangenen Jahr klapperte Tahir zusammen mit einem Dolmetscher die verschiedenen Unterkünfte ab, um für ihre Sportart zu werben. Dutzende afghanischer Jugendlicher meldeten sich. Während der große Teil des Landes eigentlich fußballbegeistert ist, sind die Einwohner der Grenzregion zu Pakistan auch verrückt nach Cricket.

Tahir erinnert sich an die ersten Trainingseinheiten: „Die Jungs schauten auf den Boden, weil sie mir als Frau nicht in die Augen gucken wollten. Aber das habe ich ihnen schnell ausgetrieben. Inzwischen bin ich für sie eine Respekts-Person.“

Drei der jungen Afghanen schafften es sogar bis ins erste Herren-Team, mit dem sie dann im Oktober das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gewannen. Die schwarzen Anzüge, die sie bei der Ehrung im Rathaus trugen, kaufte Tahir. Und auch die Krawatten band sie für die drei: „Als Ersatz-Mutter kümmere ich mich gerne auch um solche Sachen.“

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