Es ist ein ungewöhnlicher Prozess, alleine wegen des Alters der Angeklagten. Maria H., 80 Jahre alt und gebürtige Ukrainerin muss sich vor dem Landgericht wegen Totschlags verantworten. Sie soll im August ihrer Nachbarin Katharina W. (63) aus Kasachstan zunächst mit einer Vase gegen den Kopf geschlagen und sie dann mit vier Messerstichen getötet haben. Die 80-Jährige wird sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen äußern, sagte sie am Dienstag aus.
Was genau am 27. August in dem Mehrparteienhaus in Huchting passiert ist und den Tod von W. zur Folge hatte, soll vor Gericht geklärt werden. Deutlich wurde am ersten Verhandlungstag: Die Angeklagte, das Opfer und ein Freund hatten den ganzen Tag über gemeinsam getrunken, gegen 19 Uhr muss es dann zu einer Auseinandersetzung gekommen sei, die für W. tödlich endete.
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beschreibt vor allem die Messerstiche mit grausigen Details. Einer soll durch den Unterkiefer und die Zunge in den Mund gegangen sein, einer in die Rippen und zwei in den Rücken unterhalb der Lunge, sodass W. Blut einatmete und daran erstickte. „Die Angeklagte hat mit den Stichen an dieser Stelle den Tod billigend in Kauf genommen“, warf der Staatsanwalt ihr vor.
Opfer hatte wohl ein Alkoholproblem
Weil H. sich vorerst nicht äußern wird, begann der Prozess mit der Befragung des Nebenklägers und Sohn des Opfers. Der Richter wollte von dem sichtlich mitgenommenen 36-Jährigen wissen, was für ein Mensch seine Mutter gewesen ist. „Sie war eine ruhige Person, aber ihr Alkoholproblem war kein Geheimnis“, sagte der junge Mann.
Viel mehr konnte oder wollte er dem Gericht nicht erzählen. Sein Vater sei mit dem Alkoholproblem der Mutter nicht einverstanden gewesen, habe aber nicht viel dagegen tun können. Die Eltern hätten eine gute Ehe geführt. Die Angeklagte habe er nur drei oder vier Mal gesehen, sie sei eben die Nachbarin gewesen. Die Tat sei für ihn und seine Familie unvorstellbar, eine Erklärung, wie es zu der Auseinandersetzung hatte kommen können, hatte er nicht.
Was genau an dem Tag passiert ist, konnte der zweite Zeuge, Nikolai M., der zunächst selbst unter Verdacht stand, besser erklären. Er sei ein Freund der Angeklagten und habe sie an dem Samstag im August gegen 9 Uhr angerufen, um sich nach ihrer Gesundheit zu erkundigen. Daraufhin habe „Maria“ wie er sie nennt, ihn zu sich eingeladen. Gegen 10 Uhr sei er bei ihr angekommen, sie hätten dann erstmal zwei „Gläschen“ Vodka getrunken.
Opfer hatte blaue Flecken am ganzen Körper
Kurze Zeit später sei das spätere Opfer dazu gekommen. Man habe gemeinsam getrunken, im Laufe des Tages insgesamt zwei Flaschen Vodka. Ihm seien blaue Flecken auf dem Arm und der Brust von W. aufgefallen, die ausgesehen hätten, als wäre sie mit Riemen geschlagen worden. „Ich habe sie gefragt, ob ihr Mann sie schlägt. Sie hat gesagt, ja wegen des Alkohols. Maria hat dann gesagt, dass Katja deswegen immer zu ihr komme“, schilderte M. die Gespräche in der Wohnung.
Gegen Mittag sei er kurz für zwei Stunden ins Rolandcenter gefahren und habe auf dem Rückweg Fleisch gekauft. Das hätten die drei dann gegessen und parallel weiter getrunken. „Irgendwann habe ich Maria gebeten, mir einen Tee zu machen, den habe ich getrunken und dann bin ich eingeschlafen“, erzählt M.
Er sei dann erst wieder aufgewacht, als Maria ihn an der Schulter gefasst habe. Sie soll ihm gesagt haben, dass das „Katja“ tot sei. Er habe das für einen Scherz gehalten, sei ins Schlafzimmer gegangen, um sich dort aufs Bett zu legen. „Dann habe ich gesehen, dass dort eine Person auf dem Boden lag. Ich habe gedacht, das ist ein weiterer besoffener und bin wieder eingeschlafen“.
Zeuge will eigentliche Tat verschlafen haben
Erst als die Polizei und der Ehemann sowie vermutlich die Tochter des Opfers bereits in der Wohnung waren, sei er wieder aufgewacht. „Dann habe ich erst verstanden, dass Katja tot ist. Ich habe Maria gefragt, ob sie sie umgebracht hat. Aber Maria hat nur gesagt, dass möglichst schnell alles vorbei gehen soll“, so M. weiter.
Im Laufe des Prozesses will der vorsitzende Richter Kellermann die Familie des Opfers weiter befragen, auch ein Gutachter soll noch zu Wort kommen. Aufgrund des Alters der Angeklagten, kann aber jeder Verhandlungstag nur maximal vier Stunden dauern. Die Verhandlung wird am 23. Februar fortgesetzt. Maria H. sitzt seit vier Monaten in Unterschuchungshaft.