Es waren wohl die fünf Spiele ohne Niederlage vor der Winterpause, die den Blick auf die Probleme beim SV Werder verschleierten. In der Hoffnung, auf diese Serie aufbauen zu können, beließ es der Verein im Januar beim bereits lange feststehenden Transfer von Thomas Delaney und versäumte es, andere Baustellen zu schließen. Noch nicht einmal kurzfristig, per Leihe, wie beispielsweise vor zwei Jahren beim Keeper Koen Casteels, der damals in der Rückrunde zum Klassenerhalt beitrug.
So schwächelt Werder weiter auf der Torwart-Position, es gibt eklatante Aussetzer in der Abwehr, dem Mittelfeld fehlt es an Kreativität und Kompaktheit und dem Sturm an Durchschlagsvermögen und Torgefahr.
Selbe Situation wie vor einem Jahr
Nun gab es vier Niederlagen in Folge, als einziges Bundesligateam hat Werder im jahr 2017 noch keinen Punkt geholt. Eine Entwicklung ist ebenfalls nicht zu erkennen: Auch vor einem Jahr standen die Grün-Weißen nach dem 20. Spieltag auf Relegationsplatz 16, damals mit drei Punkten mehr und dem nahezu identischen Torverhältnis.
Nach dem 0:1 nahm Geschäftsführer Frank Baumann die Profis in die Pflicht. „Wir werden schauen, welche Spieler würdig sind, das Werder-Trikot zu tragen“, waren seine markigen Worte.
In der Tat hat die Mannschaft mit schlimmen Leistungen zum Absturz beigetragen. Aber auch Baumann, der den Kader zusammen gestellt hat, und Cheftrainer Alexander Nouri, der nun immer mehr unter Druck steht, gehören zu den Gesichtern von Werders Niedergang.
Alexander Nouri
Wenn in der Öffentlichkeit und in den Medien bereits über Nachfolger spekuliert wird, ist es oft nicht mehr weit bis zur Entlassung eines Bundesligatrainers. Dass auch Nouri nach dem katastrophalen Start ins Fußballjahr 2017 um seinen Job bangen muss, ist kein Wunder. Was die Punkteausbeute angeht, ist er der schlechteste Werder-Coach aller Zeiten. Dazu beigetragen hat der Novize, der seit September 2016 Werders Profiteam coacht, mit einigen seltsamen Personal- und Systementscheidungen. Spieler wanderten von der Startelf auf die Tribüne, insgesamt setzte Werder in dieser Saison 31 Profis ein – Höchstwert in der Liga und sicher kein Zeichen von Kontinuität. Nouris Traum vom attraktiven Offensivfußball mit Dreierkette lässt sich mit dem vorhandenen Personal nicht umsetzen.
Santiago Garcia
Der Argentinier sei hier stellvertretend für Werders eklatante Abwehrschwäche gennant. Sinnbildlich ist seine Leistung bei der jüngsten Heimniederlage gegen Mönchengladbach: Im Offensivspiel durchaus mit ansprechenden Aktionen und guten Ideen, im Rückwärtsgang mit einer Mischung aus katastrophalem Stellungsspiel, ungeschicktem Zweikampfverhalten und fehlendem Gefühl für den Raum. Werders Defensive leidet zudem unter den Systemumstellungen. Garcia beispielsweise musste zuletzt auf der linken Seite ran: Bei Ballbesitz weit vorgeschoben, im Rückwärtsgang als Teil einer Fünfer-Kette. Dem 29-Jährigen fehlt dafür aber schlicht das Timing. Ob sein auslaufender Vertrag verlängert wird, ist weiter unsicher. Mit dem Schweden Ludwig Augustinsson kommt im Sommer ein potentieller Nachfolger.
Zlatko Junuzovic
„Das geht mir – weißt eh‘, wohin“, sagte der Österreicher jüngst genervt auf die Frage nach seinen Standardsituationen. Vor zwei Jahren sammelte Junuzovic 14 Assists und verwandelte fünf Freistöße direkt – von solchen Werten ist er mittlerweile weit entfernt. Zwar hat Werder auch nicht mehr so torgefährliche Abnehmer von Ecken und Freistoßflanken wie seinerzeit Jannik Vestergaard und Assani Lukimya, aber die Standards des Mittelfeldspielers haben auch an Drive und Zug verloren. Dieser Stärke beraubt, fällt auf, wie wenig Junuzovic oftmals aus dem Spiel heraus beiträgt. Mangelden Einsatz kann man ihm dabei nie vorwerfen. Er läuft viel, hat auch ab und an einen guten Einfall, kann dem Spiel aber keine Struktur geben. Von einem so erfahrenen Profi, der seit fünf Jahren im Verein ist, darf man mehr erwarten.
Fin Bartels
Die Szene aus der Partie gegen Mönchengladbach sagt viel über das Spiel von Fin Bartels aus: Nach einer feinen Kombination ließ er mit einer geschickten Drehung seinen Gegenspieler ins Leere laufen, um dann freistehend einen kläglichen und unplatzierten Schuss abzugeben, der kein Problem für Borussen-Keeper Yann Sommer darstellte. Man kann Bartels zugutehalten, dass er wenigstens ab und zu in vielversprechende Abschluss-Situationen kommt, aber er versemmelte in dieser Spielzeit schon mehrere Hochkaräter. Was dem 30-Jährigen neben Konzentration im Abschluss fehlt, ist vor allem Konstanz. Nach guten Vorstellungen ist er im Spiel darauf unsichtbar und findet nicht statt. Genau wie Claudio Pizarro, Aron Johannsson und Serge Gnabry steht Bartels für Werders derzeit fehlende Durchschlagskraft im Angriff.
Frank Baumann
Der größte Fehler von Frank Baumann war sicherlich das Festhalten an Viktor Skripnik, den er dann doch nach drei Spieltagen feuern musste. Die Transferbilanz des Geschäftsführers, der im Sommer Nachfolger von Thomas Eichin geworden war, liest sich dagegen gar nicht so schlecht. Zwar hatte er (vermeintliche) Fehlgriffe wie Fallou Diagne oder Florian Kainz. Aber er lockte auch Serge Gnabry, Max Kruse und Thomas Delaney an die Weser – allesamt große Verstärkungen. Er verließt sich allerdings zu sehr auf die Einsatzfähigkeit von Philipp Bargfrede und Claudio Pizarro und verpasste es dann im Winter, die akuten Baustellen im Tor, im defensiven Mittelfeld und im Sturm zu schließen. Und nun steht er kurz davor, den zweiten Trainer in der laufenden Saison entlassen zu müssen.