fashion-person-woman-feet. Foto: static.pexels Ein seltener werdendes Bild auf Bremens Straßen? Einige Frauen denken ans Aufhören. Foto: static.pexels
Sexarbeitsrecht

Bremer Huren: Erst anmelden, dann anschaffen

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Das vom Bund beschlossene neue Prostituiertenschutzgesetz gilt seit dem 1. Juli auch in Bremen. Doch die Umsetzung funktioniert nicht, die Betroffenen fürchten Nachteile

„Im Augenblick liegen keine Kenntnisse über Anmeldungen vor“, sagt Nadja Niestädt, Sprecherin des Wirtschaftsressorts. Dieses ist eines von drei Behörden, über die das Verfahren laufen soll. Bevor die Sexarbeiterinnen ihre Bescheinigung erhalten, müssen sie Gespräche führen, erst im Gesundheits-, dann im Sozialressort.

Dort will man sie über Krankheiten, Schwangerschaften und Drogen aufklären. „Da sind wir in Bremen schon weiter als anderswo. Hier ist die Anmeldung bereits möglich“, so Niestädt. Doch im Ressort für Gesundheit scheint man angesichts unserer Nachfrage über die bisherigen Anmeldegesuche überrascht, müsse erstmal den genauen Verfahrensablauf erfragen.

Offensichtliche Kommunikationswirren

Ähnliche Auskunftslage im Sozialressort: Auch dort sind keine Anmeldezahlen verfügbar. Die Erklärung, so Ressortsprecher Bernd Schneider, sei einfach: „Anmeldungen sind derzeit nicht möglich.“

Die Frauen würden über den Anrufbeantworter darauf hingewiesen, dass keine Termine gemacht werden könnten. Angesprochen auf die offensichtlichen Kommunikationswirren zwischen den Behörden, entgegnet Schneider: „Es ist noch Zeit, das zu ändern.“

Ohne Bescheinigung kein Job

Prostituierte, die vor dem 1. Juni gearbeitet haben, hätten bis zum Ende des Jahres mit der Anmeldung Zeit. Eine Frist, die man selber bräuchte: „Die Umsetzung des Gesetzes ist eine große Koordinierungsaufgabe zwischen vielen Behörden“, so Schneider. Und das nähme Zeit in Anspruch.

Für Neueinsteiger eine berufliche Sackgasse, denn: ohne Bescheinigung kein Job – jedenfalls nicht im legalen Bereich. Und wann genau sich diese Sackgasse auflöst, ist unklar. Unklarheit herrscht derzeit auch bei grundsätzlichen Fragen, etwa bei der Zuständigkeit für die vom Gesetz vorgesehenen Kontrollen – unter anderem zur Durchsetzung der Kondompflicht.

„Die Frauen sind total verunsichert“

Ein Verstoß dagegen wird mit hohen Bußgeldern bestraft. Doch welche Behörde soll das überprüfen? „Das ist die nächste Umsetzungsfrage“, heißt es seitens des Wirtschaftressorts. Man werde Schritt für Schritt vorgehen, viele Beteiligte in den Prozess miteinbeziehen.

Eine Gruppe, die bislang nicht einbezogen wurden sind die Betroffenen selbst. „Die Frauen sind total verunsichert“, sagt Manon Süsens vom Verein Nitribitt, eine der Hauptberatungsstellen für Sexarbeiterinnen in Bremen.

Polizei hat jederzeit Zugang

Süsens findet für das Gesetz klare Worte: „Es ist ein Überwachungsgesetz, kein Schutzgesetz.“ Die Polizei hat jederzeit Zugang in die Betriebe, Einsicht in alle Unterlagen – schwierig, gerade wenn die eigene Wohnung der Arbeitsort ist.

Noch schwieriger, wenn das Übernachten am Arbeitsplatz untersagt wird. Arbeitsplatz und Schlafstätte müssen laut Gesetz künftig getrennt sein. „Viele sind auf Wohnungssuche“, fasst Süsens die Lage zusammen. Damit hätten gerade Ausländerinnen zu kämpfen.

Verfassungsbeschwerde eingereicht

Das bestätigt auch Lara Freudmann, ein Pseudonym. Die gebürtige Moldawierin ist nach eigenen Angaben seit zehn Jahren Hure. Sie empfindet das Gesetz als „Einmischung in das Privatleben“. Wie ihr gehe es vielen Kolleginnen, von denen nicht wenige in die Heimat zurückzukehren wollen.

Mit Blick auf das ohnehin schon geschrumpfte Einkommen und den mit dem Gesetz aufkommenden Mehrkosten, bilanziert sie: „Es lohnt sich für viele einfach nicht mehr.“ Gemeinsam mit anderen Betroffenen habe sie bereits Verfassungsbeschwerde eingereicht.

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