20.000 verschiedene Gerätemodelle in 170.000 Haushalten, alle einzeln erfassen, überprüfen, technisch anpassen – und das Ganze bis 2021 abschließen: das ist das selbst erklärte Ziel der „swb“, durchgeführt vom Tochterunternehmen Wesernetz.
In sechs Jahren soll in allen Haushalten der Kunden des Anbieters das energiereichere H-Gas anstelle des derzeitigen L-Gases strömen. Bis 2029 sollen alle Haushalte in Nordwestdeutschland umgestellt werden – dann liefern die Niederlande kein L-Gas mehr.
Bremen als Versuchskaninchen
Bremen steht bei der Gasumstellung deutschlandweit an vorderster Front: „Das hier ist der Pilotversuch. Von den gesammelten Erfahrungen können die anderen Städte lernen“, sagt Christoph Brinkmann, „swb“-Sprecher, welche sich als erste deutsche Netzwerkgesellschaft dem Mammutprojekt annimmt.
Der Umstellungsprozess sei in seiner Größe und Komplexität mit keinem Vorhaben der Unternehmensgeschichte vergleichbar – und ohne den Zukauf externer Experten nicht durchführbar.
Doch für das ambitionierte Experiment braucht es mehr als Know-how und Manpower.
Das Problem mit der Urlaubszeit
„Wir sind auf die Einlenkbereitschaft der Bremer angewiesen“, sagt Brinkmann. Um die Sicherheit bei der Umstellung zu gewährleisten, müssen die Monteure Zugang zu den Bremer Haushalten erhalten – und das stellt sich momentan als problematisch heraus: In der Hansestadt ist Urlaubszeit, viele Wohnungen und Häuser sind verlassen.
Für „swb“ ein Problem, wie Brinkmann zugibt, denn: jedes nicht umgestellte Gerät stelle eine Gefahr dar. Vom Austritt von Kohlenmonoxid bis zur Explosion sei alles möglich. Zudem könne durch einen Stadtbezirk erst neues Gas strömen, wenn wirklich jeder einzelne Haushalt umgerüstet ist.
Wenig Raum für Diplomatie
Der Druck ist dementsprechend groß, der Terminplan durchgetaktet – 80 Monteure sind für mehrere tausende Haushalte zuständig. Viel zeitlicher und diplomatischer Spielraum bleibt da nicht.
Die Erfahrung musste auch Rentner Wilfried Osterhuef aus Osterholz machen, wo die Umstellung gerade läuft.
Bis zum 15. August soll sie erfolgt sein. Nachdem zwei Termine platzten – einmal aus familiären Gründen, das andere Mal aufgrund fehlender Teile des Energieversorgers – erhielt Osterhuef einen neuen Termin, nicht verhandelbar. Sein Pech: Aus familiären Gründen kann er sich da nicht binden, das kommunizierte er auch dem Mitarbeiter am Telefon.
„Despotische Maßnahmen“
Der stellte ihn vor zwei Möglichkeiten: Einem Nachbarn den Schlüssel geben oder Gasabstellung – und zwar von innen, mittels Zutrittsbeschaffung durch Polizei und Gerichtsvollzieher. Für Osterhuef „despotische Maßnahmen“.
Er entschied sich für den Nachbarn. Zwar könne er den Zeitdruck des Unternehmens verstehen, „doch warum muss der Tag der Umstellung gerade in die Urlaubszeit fallen?“ Als Rentner sei er, von den familiären Pflichten abgesehen, noch einigermaßen flexibel.
Flexibilität nicht möglich
Doch Berufstätige? Reiseplanungen? Unvorhersehbares, wie Krankenhausaufenthalte etwa? Da wird es problematisch, prognostiziert Brinkmann: „Derzeit gibt es keine freie Terminwahl.“ Flexibilität sei aus logistischen Gründen nicht möglich.
So sei es in der Vergangenheit bereits zu Zwangsbetretungen gekommen. Zwar werde immer erst die Kontaktaufnahme versucht, doch die Fälle verlassener Haushalte häufen sich. Als nächstes soll die Stadtmitte umgestellt werden.