Im Internet mit Mausklicks durch das Zimmer eines jungen Neonazis streifen kann der Nutzer bei dem interaktiven Projekt "Kein Raum für rechts". Realisiert wurde das Webangebot von der Stuhrer Firma Kubikfoto³. Nun hat das Unternehmen aus Stuhr den europaweiten Medienpreis Civis dafür gewonnen. Screenshot: Kubikfoto³ Mit Mausklicks durch das Zimmer eines Neonazis streifen können Nutzer bei dem interaktiven Projekt "Kein Raum für rechts". Realisiert wurde das Webangebot von der Stuhrer Firma Kubikfoto³. Screenshot: Kubikfoto³
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Im Zimmer des Nazis: Anti-Rechts-Projekt aus Stuhr

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Im Schrank nach rechten Modemarken und in einer Kiste nach Waffen suchen: Auf der Webseite "Kein Raum für Rechts" bewegt man sich durchs Zimmer eines Neonazis. Die Macher: Eine Firma aus Stuhr. Jetzt gab's einen Preis.

Eine Stuhrer Firma hat für das interaktive Projekt „Kein Raum für rechts“ den europäischen Civis-Medienpreis dafür gewonnen. Das Interaktiv-Studio „Kubikfoto³ hat sich auf Projekte für gemeinnützige Organisationen spezialisiert. Auch für einen Greenpeace-Auftrag haben sie schon Preise gewonnen.

Rechte Mode im Kleiderschrank

Ein dunkles Jugendzimmer, in der Ecke ein Fernseher, eine Zimmerpalme und ein paar Fotos. Ein junger Mann im Hoodie sitzt auf einem Sessel und scheint ein Spiel zu spielen. Erst beim zweiten Blick fällt auf, das recht viel schwarz-rot-weiß den Raum dominiert.

Das Zimmer ist Teil der interaktiven Plattform „Kein Raum für Rechts“. Die gibt Einblick in das Zimmer eines jungen Neonazis – samt Hakenkreuzfahne, Fotowand, und völkisch angehauchten Fan-Artikeln.

Auf der Fotowand gibt es Bilder von rechten Camps und anderen Freizeitveranstaltungen zu sehen. Screenshot: Kubikfoto³

Auf der Fotowand gibt es Bilder von rechten Camps und anderen Freizeitveranstaltungen zu sehen. Screenshot: Kubikfoto³

Ein Klick auf den Schrank öffnet die Türen. Dahinter: Jacken der Marken Max H8, Ansgar Aryan, oder Erik & Sons. Zu jedem Kleidungsstück gibt es Infos: Wer steckt dahinter, wie tief rechts ist die Marke verankert. „Nur wer Neonazis erkennt, ihre Strukturen und Strategien durchblickt, kann etwas gegen sie tun“, heißt es auf der Webseite.

Reale Vorbilder für das Nazi-Zimmer

Vorbild für das Zimmer sind unter anderem Jugendzimmer von Aussteigern und Mitgliedern des NSU-Terrornetzwerkes, das zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordet hat.

Thematisch recherchiert haben die Auftraggeber des Projekts, die Arbeitsstelle Rechts­extremismus und Gewalt aus Braunschweig und das Zentrum Demokratische Bildung Wolfsburg.

Interaktive Seite mit Videoclips und Spielcharakter

Die komplette Umsetzung des interaktiven Zimmers aber kommt aus Stuhr: „Das Gesamtkonzept, wie man Jugendliche mit so einem Thema ansprechen kann, haben wir von Anfang an mitentwickelt“, so Holger Weber von Kubikfoto³.

In dem interaktiven Zimmer gibt es nicht nur Infotexte. So können im Fernseher auch Dokus angeschaut werden, es gibt ein Interview mit einem Experten, und für den Betrachter der Fotowand sind kleine Videoclips vorbereitet.

Damit beim Durchklicken die Spannung aufrecht bleibt, gibt es eine kleine Aufgabe. Es müssen fünf Gegenstände gefunden werden und in einer Kiste wartet ein Geheimnis. Zwischendurch reagiert der junge Neonazi auf Mausbewegungen des Nutzers, steht vor der Reichsflagge stramm oder hebt den rechten Arm.

Civis-Medienpreis geht nach Stuhr

Das Projekt wurde nun mit dem europaweiten Civis-Medienpreis für Migration, Integration und kulturelle Vielfalt in Europa ausgezeichnet. An dem Wettbewerb 2017 hatten insgesamt 783 Programme aus 24 Staaten und teilgenommen.

Die Jury um Jo Groebel vom Deutschen Digital Institut fasst das Projekt so zusammen: „Spielerisch subjektiver Zugang zu hochpolitischen Inhalten – hochprofessionell, sehr überzeugend.“

Studio macht viel für gemeinnützige Organisationen

Neu ist das Gefühl, ausgezeichnet zu werden, für die Macher nicht: Erst Ende April bekam auch das Projekt „Greenpeace: Gestrandete Wale“ welches ebenfalls aus von Kubikfoto realisiert wurde, den Deutschen Digital Award in Gold und Bronze von Jan Böhmermann verliehen.

Zufall ist die Häufung nicht: „Wir wollen gerne Preise gewinnen“, gibt Weber freimütig zu. „Das geht besser, wenn man nicht rein kommerzielle Themen verbreitet.“ Nach den Sommerferien ist ein Projekt zum Thema Plastikmüll in Meeren geplant.

Aufgefallen ist das Stuhrer Unternehmen mit seinen Konzepten aber auch schon außerhalb der gemeinnützigen Szene: „Auch Disney hat schon wegen eines Virtual-Reality-Projektes angefragt“, erzählt Weber. Auch wenn Stuhr mancherorts Probleme mit schnellem Internet hat – auf der Landkarte der Digitalwirtschaft ist es kein weißer Fleck.

Hier kann man selbst auf Entdeckungsreise durch das Zimmer gehen.

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