kultur_TB-Kunsthalle-9-4sp. Foto: Barth „Wir sind mehr als das, was in der Geschichte gezeigt wird“, sagt die deutsch-nigerianische Künstlerin Ngozi Schommer über ihre Werke. Foto: Barth
Ausstellung

Kunsthalle Bremen: „Zum Nachdenken anregen“

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Unter dem Titel „Der ­Blinde Fleck“ setzt sich die ­Bremer Kunsthalle mit ihrer ­Geschichte zu Zeiten des Kolonialismus auseinander. Den Besuchern soll ­ein vielseitiger Einblick ermöglicht werden.

Eine Skulptur mit verdrehten Gliedmaßen, aufgeblähtem Bauch und dem simplen Titel „Der Afrikaner“. Zu Zeiten des Kolonialismus offenbar die alltägliche, wenn auch menschenverachtende Sichtweise der Europäer auf die „unzivilisierte“ Bevölkerung ihrer eroberten Gebiete.

„Ein sehr spannendes und komplexes Thema“ sagt Christoph Grunenberg, Leiter der Bremer Kunsthalle, über das Zeitalter des Kolonialismus. Diese Epoche aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, führte nicht nur zu steigendem Handel in der Hansestadt und massenhafter Auswanderung nach Übersee, sondern hinterließ auch im 1823 gegründeten Bremer Kunstverein Spuren.

Reichtum und die Fremden

„Dieser Teil der Geschichte ist lange vernachlässigt worden“, so Grunenberg. Er war sehr erfreut, dass die seit gestern geöffnete Ausstellung die erste ihrer Art in Deutschland ist.
Ihre Werke und Exponate sind dabei nach verschiedenen Themenfeldern sortiert.

Diese halten sich an zwei zentralen Fragestellungen, erklärte Kuratorin Julia Binter. Woher kam der Reichtum, damit der Kunstverein eine solche Sammlung anlegen konnte? Und vor allem: Wie wurde dem Fremden in der Kolonialzeit begegnet?

Projektionsfläche für eigene Wünsche

Verschiedene Perspektiven sollen den Besuchern Antworten darauf näherbringen. Werke von Emil Nolde, August Macke und weiteren repräsentieren dabei die Sicht der damaligen Künstler. „Das sind Beweisstücke für eine gewisse Kultur“, so Bintel.

Die Kunst in den Kolonien habe den europäischen Malern dabei als Projektionsfläche für ihre eigenen Wünsche gedient. Einige Skulpturen in der Ausstellung stammen von afrikanischen Künstlern, denn auch die Menschen in den Kolonien hätten sich mit dem Fremden auseinandergesetzt: „Die Europäer sind dabei oft sehr humoristisch und mit einem Augenzwinkern dargestellt“, so die Kuratorin.

„Wir sind mehr, als in der Geschichte gezeigt wird“

Eine gegenwärtige Position vertritt die deutsch-nigerianische Künstlerin Ngozi Schommers. Ihr Werk bringt den Besuchern die bildliche Darstellung von kolonialem Handel im Alltag näher. Dazu hat Schommers rund 50 Porträts westafrikanischer und afro-deutscher Frauen den Abbildungen auf Bremer Kolonialwarenverpackungen gegenübergestellt.

„Wir sind mehr, als in der Geschichte gezeigt wird“, so die Künstlerin. Sie wolle das Bild von Afrika ändern, denn die Menschen seien heute oft noch viel zu sehr von der Vergangenheit blockiert.

Einen faktischen Blick auf diese Vergangenheit kann man in einem weiteren Ausstellungsraum – passenderweise dem ältesten Raum der Kunsthalle – werfen: Hier gibt es Wissenswertes zur Rolle und Entwicklung des Hauses während der Kolonialzeit sowie allgemeine Informationen zu dieser Epoche und Geschichten zu den verschiedenen Förderern der damals ausgestellten Werke.

Nachdenken und Diskutieren statt Blindheit

Aber woher kommt eigentlich der Name der Ausstellung? In der Augenheilkunde bezeichnet der Blinde Fleck den Punkt unseres Auges, an dem wir keine Sinneszellen haben – und somit quasi „blind“ sind. „Aufgrund unserer eingefahrenen Sichtweisen können wir Dinge oftmals nicht wahrnehmen“, erklärt Bintel.

Sie hofft, dass den Besuchern bewusst wird, wie verletzend viele Darstellungen aus der Kolonialzeit sind. „Es gibt am Ende kein richtiges ,Fazit‘, sondern die Ausstellung soll zum Nachdenken und Diskutieren anregen“, so die Kuratorin.

„Der Blinde Fleck. Bremen und die Kunst in der Kolonialzeit“ in der Kunsthalle (Am Wall 207), weitere Informationen unter kunsthalle-bremen.de

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