Frage: Herr Scholz, Christina Jantz-Herrmann hat Sie in den Skippertreff des Osterholz-Scharmbecker Hafens eingeladen, nun liegen hier weniger große Pötte als Sie das von einem Hafen kennen, es sind eher schmucke Yachten und ein paar historische Torfkähne. Hatten Sie früher schon Gelegenheit, den Landkreis Osterholz kennenzulernen?
Olaf Scholz: Ich kenne den Landkreis ganz gut, als Kunstinteressierter habe ich natürlich schon Worpswede besucht. Und Christina Jantz-Herrmann hat mir erzählt, dass Helmut und Loki Schmidt im Juli 1942 in Hambergen kirchlich geheiratet haben – das war mir neu, bewegt mich als Hamburger aber natürlich auch. Meine Frau und ich gehen gerne wandern – und manchmal tun wir das auch hier im Landkreis.
Dann mögen Sie ja auch beobachtet haben, dass, je weiter man sich entlang von Hamme und Wümme in Richtung Elbe bewegt, HSV-Flaggen genauso oft wehen wie die Fahnen des ruhmreichen SV Werder verbreitet sind. Wie wichtig ist es für eine Region, im Umfeld einer Großstadt, oder sogar zwischen zweien, eine eigene regionale Identität zu entwickeln?
Ich darf Ihnen verraten, dass ich HSV-Fahnen bei meinen Besuchen in der ganzen Republik begegne – fairerweise sei gesagt: Ich sehe auch Werder-Wimpel. Beides sind tolle Vereine, die jede Unterstützung verdient haben. Und klar ist, dass es hier in der Region mit dem schönen Bremen und dem mindestens so schönen Hamburg zwei Städte gibt, die eine hohe Anziehungskraft haben.
Aus Ihrer Erfahrung aus der Metropole und der Metropolregion Hamburg heraus: Welche Chancen hat der ländliche Raum, von der Existenz einer benachbarten Großstadt, Bremen ist gemeint, zu profitieren?
Ich halte es für eine symbiotische Beziehung. Als Hamburger Bürgermeister weiß ich, wie sehr auch der ländliche Raum von einer nahen Großstadt profitiert. In meine Stadt pendeln täglich 330.000 Menschen ein – sie wohnen in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen oft auf dem Land, arbeiten aber in Hamburg. Das macht den ländlichen Raum als Wohnort attraktiv auch für Bürgerinnen und Bürger, die sonst des Jobs wegen wegziehen müssten. Das kulturelle Angebot und letztlich auch die Einkaufs- und Erlebnismöglichkeiten der nahen Großstadt sorgen dafür, dass sie nichts missen müssen und doch auf dem Land wohnen bleiben können.
Im Wahlkampf handeln Sie als Gast von Christina Jantz-Herrmann bestimmt weniger als Erster Bürgermeister Ihrer Freien und Hansestadt als als stellvertretender Bundesvorsitzender Ihrer Partei. Der Wahlkreis Osterholz/Verden ging erst 2009 an die CDU verloren. Wie wichtig ist es für die SPD, dass Christina Jantz-Herrmann das Direktmandat zurückgewinnt?
Direktmandate sind wichtig für die Bürgernähe. Insofern unterstütze ich Christina Jantz-Herrmann nach Kräften – und bin zuversichtlich, dass sie den Wahlkreis holt.
Sie haben Frau Jantz-Herrmann nicht mehr als Kollegin im Bundestag kennengelernt, warum halten Sie es für wichtig, dass Frau Jantz-Herrmann Mitglied des Parlaments bleibt?
Im Bundestag sind wir uns zwar nicht begegnet, aber natürlich hier in Osterholz-Schambeck. Sie ist eine kompetente, engagierte und kluge Politikerin, die gute Arbeit im Bundestag leistet – für ihren Wahlkreis und für unser Land. Wenn es nach mir geht, soll das so bleiben.
Und Frau Jantz-Herrmann soll dann mit der SPD die Oppositionsbank drücken?
Ich würde mir mehr Respekt vor dem Votum des Wählers wünschen: Die Wahl ist am 24. September, anschließend wissen wir, wer die Regierung bildet und wer in der Opposition sitzt. Wir kämpfen für ein starkes Ergebnis für die SPD mit Martin Schulz an der Spitze.
Die SPD galt einmal als Großstadtpartei. Mittlerweile erreicht die SPD in Umfragen auch in Hamburg nur noch 30 Prozent Zustimmung. Wie lange wird es die SPD noch geben? Ich meine die Frage übrigens ganz ernst, die Entwicklung in anderen europäischen Ländern hat die Sozialdemokratie schon von der Bildfläche verschwinden lassen.
Da haben Sie die Zahlen vertüttelt. Bei Bundestagswahlen erreicht die Hamburger SPD stabile Werte über 30 Prozent; bei der Bürgerschaftswahl haben wir zuletzt die absolute Mehrheit in Hamburg nur knapp verfehlt, immerhin 46 Prozent. Die SPD stellt die Rathauschefs in acht der zehn größten Städte des Landes, alle drei Stadtstaaten sind sozialdemokratisch regiert, und viele Großstädte auch – insofern täuscht ihr Eindruck. Die SPD ist die älteste demokratische Partei unseres Landes, sie besteht seit mehr als 150 Jahren und sie wird noch sehr, sehr lange bestehen.
Muss sich die SPD, statt kurzfristig an eine Regierungsübernahme bei der bevorstehenden Bundestagswahl zu denken, nicht eher Positionen für eine langfristige Perspektive und deren Umsetzung entwickeln? Und sich als Partei ganz neu erfinden?
Nein.
Welche Rolle wollen Sie perspektivisch in der SPD spielen?
Ich bin Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg und stellvertretender Vorsitzender der SPD.