Petra Borrmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Delmenhorst nutzte den Frauenempfang, der traditionell immer am Samstag nach dem Internationalen Frauentag (8. März) veranstaltet wird, um auf das Jahr 1918 zurückzublicken. „Damals wurde in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt“, erzählte sie. Die Frauenrechte seien jedoch nicht einfach so vom Himmel gefallen. „Um wie heute selbstverständlich die eigene Stimme erheben zu können und sich in der Politik und dem öffentlichen Leben einzubringen, mussten Frauen vor 100 Jahren vehement für ihre Rechte kämpfen. Unterstützt wurden sie dabei von aufgeklärten Männern“, fügt sie hinzu.
100 Jahre Wahlrecht für Frauen
In Delmenhorst kandidierten im Jahr 1919 21 Frauen für einen Sitz im Stadtrat. Die ersten vier Ratsfrauen waren Marie Schmidt, Frieda Hense, Else Meyer und Minna Riefe. Ihre Portraits hängen heute im zweiten Stock des Rathauses. „Doch wie verhält es sich mit dem Recht zu wählen und sich wählen zu lassen für Frauen im Ausland?“, fragte Borrmann in die Runde, um die Antwort gleich selbst zu geben: „In Neuseeland wurde das Gesetz bereits 1893 eingeführt, in der Schweiz hat es erst seit 1971 Bestand. In Saudi Arabien dürfen Frauen offiziell seit drei Jahren wählen gehen.“
Bei aller Gleichstellung auf dem Papier vermisst Borrmann im Alltag jedoch immer noch eine tatsächliche Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. „In diesem Zusammenhang ist es sicher auch nicht hilfreich, wenn Rechtspopulisten versuchen, ein Frauenbild von vorgestern wieder salonfähig zu machen.“
Auch bei einem Blick auf die Politik wird ebenfalls deutlich, dass in Deutschland noch keine Parität, sprich eine zahlenmäßige Gleichheit zwischen den Geschlechtern herrscht. Im neuen Bundestag beträgt der Anteil der Frauen gerade einmal 31 Prozent. „Das ist der schlechteste Wert seit 19 Jahren“, sagt Borrmann und ergänzt: „Dabei belegen Gremien aus der Wirtschaft, dass mit einer Durchmischung die besten Ergebnisse zu erzielen sind.“ Frankreich ist eines von gerade einmal acht Ländern, in denen das „Pari-Gesetz“ gültig ist. In Deutschland ist dieses Gesetz auf Parität in den politischen Ausschüssen fast unbekannt.
Nach der Eröffnungsrede, einem Kurzfilm und einem kurzweiligen Theaterstück mit dem Titel „Neunzehn Eins Neunzehn Neunzehn“ von Birgit Scheibe über die Frauenrechtlerin Dr. Anita Augspurg, wurde der Bogen in die Gegenwart geschlagen. In zwangloser Runde berichteten einige engagierte Frauen über ihre persönlichen Erfahrungen.
Eine von ihnen war Astrid Grotelüschen, Mitglied im Bundestag: „Als ich in die Politik ging, habe ich nicht zwischen Männer- und Frauenthemen unterschieden. Ich wollte einfach die Welt verändern, etwas bewegen. Aber als einzige Frau unter Männern wurde mir schnell klar, dass ich mich immer mehr als sie engagieren musste, immer 120 Prozent geben musste.“ Heute wolle sie ein Vorbild für Frauen sein.
Edith Belz, Ratsfrau in Delmenhorst, engagierte sich bereits während ihres Studiums an der Fachhochschule Köln unter anderem im Studierendenparlament sowie im Fachschafts- und Fachbereichsrat. „Fast täglich musste ich mich dafür rechtfertigen“, erinnert sie sich.
Hilfe für Frauen bei der beruflichen Orientierung
Anne Wilkens-Lindemann gehört zum Team der Koordinierungsstelle „Frauen und Wirtschaft“: „Wir helfen Frauen bei der beruflichen Orientierung und dem Wiedereinstieg in den Beruf. Denn immer noch ist es so, dass innerhalb der Familie häufig die Frauen die Kinderbetreuung so nebenbei organisieren müssen.“
Die Delmenhorster Ratsfrau Frauke Wöhler warb für „Politik braucht Frauen“, einem Mentorinnen-Programm, dass immer kurz vor den Landtagswahlen in Niedersachsen neu aufgelegt wird. „Das Programm ist ideal, um in die politische Arbeit hineinzuschnuppern und man bekommt auch Tipps, die einem im Berufsleben weiterhelfen“.
Politik braucht Frauen
Käthe Stüve erinnerte an die Anfänge ihres politischen Engagements in Delmenhorst in den 1970er Jahren. Davor war sie schon in den Sportvereinen und im Elternrat aktiv. Genau wie Borrmann konnte sie sich noch gut an die 1990er Jahre erinnern, als es vor allem den Frauen im Rat der Stadt Delmenhorst – und zwar fraktionsübergreifend – zu verdanken war, dass Delmenhost ein Frauenhaus bekam.
„Es ist wichtig, dass sich Frauen engagieren. Es reicht nicht, Zuhause zu sitzen und darauf zu warten, dass sich jemand anderes für die eigenen Belange einsetzt. Es wird keine Fee vorbeikommen und einem 100 Wünsche erfüllen,“ gab Borrmann zu bedenken.