Knoxx und Sohn Lars standen häufig gemeinsam hinter dem Tresen. Foto: pv Knoxx und Sohn Lars standen häufig gemeinsam hinter dem Tresen. Foto: pv
Viertel

Das Ende eine Ära: Im Brazil gehen die Lichter aus

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Es ist zwei Uhr am Sonntagmorgen. Aus dem Boxen im Brazil tönt „Rock me Amadeus“ von Falco. Vermutlich zum letzten Mal. Denn jenes Viertel-Lokal ist von Freitag an Geschichte. Und es hat eine bewegte Geschichte.

Das Viertel-Lokal wurde einst vom Modemagazin „Vogue“  zu den zehn besten Absturzkneipen der Republik gekürt. Gründer Jürgen Schierholz, den alle nur Knoxx nennen, hat dort im Frühjahr 1983 nicht nur einen der ersten Caipirinhas Norddeutschlands gemixt, sondern mit solchen und anderen geisthaltigen Getränken Showbizgrößen wie etwa Falco bewirtet.

„Der hat übrigens so getan, als wenn im Preis für die Cocktails das weibliche Thekenpersonal inbegriffen wäre, beziehungsweise wollte er die Bedienung später ersteigern“, erinnert sich der Szene-Gastronom.

Nur flüssiger Stoff verfügbar

Weniger witzig war das, was sich teilweise vor der Bar abspielte: Promis, die gemeinhin viel Kampfgeist bewiesen, wenn es um den Konsum von Alkohol ging, ließen sich selbigen ab und an ein zweites Mal durch den Kopf gehen.

„Das ist unter anderem dem Gitarristen der NDW-Band Ideal (Blaue Augen) und Schauspieler Otto Sander passiert“, sagt Knoxx. 

Andere Gäste wollten sich wiederum nicht mit flüssigem Stoff begnügen. Als der inzwischen verstorbene Blues- und Rocksänger Herman Brood im Brazil eingekehrt sei, habe er mehrfach ganz unverblümt und lautstark nach chemischen Stimulanzien gefragt, erinnert sich Knoxx. „Wir hatten Mühe, ihm klarzumachen, dass wir keine Apotheke sind, sondern lediglich Drinks verkaufen.“

Knoxx und seine frühere Frau Barbara waren hinter dem Tresen zwar in erster Linie Beobachter, ab und an aber auch selbst Opfer.

„Ignaz Kirchner bombardierte mich mal mit fürchterlich rassistischen Sprüchen. Er posaunte sie geradezu durch den Laden. Als ich ihn gerade vor die Tür setzen wollte, stellte sich heraus, dass der damals noch relativ unbekannte Schauspieler einfach nur testen wollte, ob er in seiner Rolle als faschistischer Army-Captain überzeugend wirkte“, erzählt Knoxx.

Zum letzten Tanz

Neben Stars und Sternchen feierten auch Kiezgrößen sowie Lokalpolitiker im Brazil bis in die Mittagsstunden.

Knoxx selbst ist vor fünf Jahren ausgestiegen und hat den Laden Barkeeper-Original Shunil Hossain vermacht. Der wiederum muss jetzt aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Schierholz‘ Sohn Lars und sein Stiefbruder Orlando hätten die Kneipe gerne weiter betrieben, aber die Verhandlungen mit dem Immobilienbesitzer waren nicht von Erfolg gekrönt.

„Aber bei der Hipster-Generation sah es für das Brazil zuletzt eh nicht mehr so rosig aus, wie einst“, lautet das Fazit des einstigen Nightlife-Monopolisten.

Morgen, am Donnerstag, schlüpft er dann doch noch einmal in diese Rolle und bittet von 18 Uhr an gemeinsam mit Lars, Orlando und Mr. Barfly am Ostertorsteinweg zum letzten Tanz.

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