Was steht denn da auf dem Blumenthaler Marktplatz? Ein Holzhaus, das im Boden versinkt? Zieht ein neuer Nachbar ein? Oder eröffnet eine neue Kirche? Viele Passanten bleiben neugierig stehen. Der ein oder andere hat sich vielleicht auch schon an den Anblick gewöhnt, denn das Holzkonstrukt steht schon seit mehr als einer Woche auf dem Marktplatz.
Jene, die annehmen, dass es sich um eine Kirche handelt, haben teilweise recht. Tatsächlich diente das Konstrukt mal einer Opernproduktion der Gruppe Novoflot aus Berlin als Kulisse. Doch in Blumenthal erfüllt das Holzhaus einen anderen Zweck. Es soll vor allem Treffpunkt sein und hat den Namen „Station Neu-Blumenthal“.
Unter dem Deckmantel des Kolonialismus
Ein Stück weit soll es ein Geheimnis bleiben, was ab dem 7. Mai rund um diese Station Neu-Blumenthal passiert. Doch ein bisschen darf schon verraten werden. Das Theater Bremen wird bis zum 16. Juni mit einem Festival vor Ort sein.
Thematisch dreht sich alles rund um die Frage „Was ist eigentlich Kultur?“. Was verstehen die Blumenthaler als Kultur und wollen sie das, was ihnen unter diesem Titel angeboten wird, überhaupt annehmen? „Wir wollen die Leute stützen. Es braucht keine Instrumenten-Ausbildung. Die Leute sollen feststellen, dass jede Art von Kultur wertvoll ist“, sagt Mirko Borscht.
Um sich auf das Projekt vorzubereiten, hat der freischaffende Regisseur 2017 zwei Monate in Blumenthal recherchiert. Dabei stieß er unter anderem auf diese historische Begebenheit: Im März 1885 gründete der Blumenthaler Kapitän Eduard Dallmann zusammen mit einem deutschen Kaufmann und Ethnologen im inoffiziellen Auftrag der Deutschen Reichsregierung die Station Blumenthal an der Ostküste Neuguineas. Der Ort sollte zur Handelsstation ausgebaut, die Bevölkerung „kultiviert“ werden.
Treffpunkt für alle Stadtteilbewohner
Diese historische Begebenheit wird in den kommenden Wochen überspitzt in Blumenthal wiederkehren: „Missionare der Hochkultur“ erobern den Marktplatz und bewohnen die Station, um zu kultivieren und zu motivieren. Der Marktplatz soll während des Festivals unter dem Deckmantel des Kolonialismus-Themas vor allem ein Treffpunkt für alle Stadtteilbewohner werden – für alle „Stämme“, wie es heißt.
Eine klassische Bühne wird es nicht geben. Dreh- und Angelpunkt ist die hölzerne Station Blumenthal. „Das Festival soll die Blumenthaler in den Dialog bringen und nachhaltig sein“, hofft Natalie Driemeyer, Dramaturgin am Theater Bremen und im Rahmen der Langzeitperformance Stationsdiakonin. Und es sollen ganz unterschiedliche Menschen angesprochen werden, betont Borscht. Vom Jugendlichen bis zum alteingesessenen Blumenthaler.
Akteure leben in der hölzernen Station
An mehreren Terminen pro Woche finden rund um die Station Neu-Blumenthal Veranstaltungen statt, zum Beispiel Lesungen und Filmabende. Bei den sogenannten Eingeborenen-Gesprächen begegnen sich Blumenthaler im öffentlichen Gespräch.
Die „Station“ ist aber viel mehr als ein Veranstaltungsort und eher als Dauerinstallation zu sehen, bei der immer jemand vor Ort ist. Denn Mirko Borscht und Farhad Taghizade werden in ihrer Funktion als Stationsvorstand rund um die Uhr vor Ort sein. Sie leben in den kommenden Wochen in dem Holzbau – Tag und Nacht.
Los geht das Projekt „Aufstieg und Fall der Station Neu-Blumenthal“ am Montag, 7. Mai, um 18 Uhr, mit der Eröffnung – oder aus Sicht der Missionare mit der Inbesitznahme. Weitere Informationen und Termine gibt es online unter theaterbremen.de