Wer mit Andreas Calic unterwegs ist, weiß: Es wird düster. Der Historiker bietet für den Verein Stattreisen Führungen durch die „Bremer Unterwelten“ an. Da kann dem Besucher schon mulmig werden.
Die Führung beginnt in einem vergleichsweise hellen Keller: unter dem Rosenak-Haus im Schnoor-Viertel. Das Gebäude diente der jüdischen Gemeinde in Bremen, in der Leopold Rosenak als Rabbiner tätig war, von 1927 bis zur Reichsprogromnacht am 10. November 1938 als Gemeindehaus und Synagoge.
Gedenkstätte an gestorbene Juden
Hier herrscht bedrückende Stimmung: Inschriften an den Wänden mit Titeln wie „Unsere Toten jüdischen Glaubens“ erinnern an die Opfer aus der NS-Zeit. „In Bremen wurden damals fünf Juden ermordet, in der besagten Nacht hat sogar die Feuerwehr dabei geholfen, die Synagoge abbrennen zu lassen“, schildert Andreas Calic die Geschichte. Nur der Keller, jetzt als Gedenkstätte genutzt, hat das Feuer überstanden.
Weiter geht es, raus aus dem Schnoor-Viertel, zum nächsten unterirdischen Ort: Dokumentationsstätte Gefangenenhaus Ostertorwache. 1828 eröffnet war es eines der modernsten Gefängnisse seiner Ära. Lange Zeit wurden hier auch Obdachlose, „Verwahrloste“ oder sogar Schulschwänzer untergebracht.
Ab den 1980er Jahren dienten die dunklen Zellen dann als Abschiebegefängnis. „Die Bedingungen für die Inhaftierten waren meist katastrophal“, weiß Stadtführer Calic: vier Mann pro Zelle. „Erst mit einem Selbstmordversuch eines Häftlings wurde die Einrichtung 1996 dann aufgelöst“, sagt Calic.
Auch in den Wallanlagen gibt es Bunker
Bei der nächsten Station wird es kurz oberirdisch. Auf dem Theaterberg in den Wallanlagen stand früher das Bremer Stadttheater. Das wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört – aber in dem ehemaligen Luftschutzbunker unter dem Theater richtete der Maler Peter Hagenah 1949 die Galerie Kunst-Krypta ein, in der vor allem Keramikunikate ausgestellt wurden.
Sie hatte bis 1962 Bestand. Ab 1966 wurde der Standort des ehemaligen Theaters in den terrassenförmigen „Theatergarten“ umgewandelt, in dem 1968 die Skulptur der Ägina des Bildhauers Gerhard Marcks aufgestellt wurde. „Noch bis heute gibt es in den Wallanlagen übrigens Erdbunker“, erklärt Calic. „Einige sind sogar noch begehbar, aber das ist natürlich nicht erlaubt.“
Bremen hat eine Unterpflasterstraße
„Die nächste unterirdische Station kannte lange Zeit kaum ein Bremer, nicht einmal die Polizei“, erzählt Calic. In der Nähe des Finanzamts werden das Siemens-Hochhaus und weitere anliegende Einrichtungen über eine unterirdische Straße verbunden. Bremens einzige Unterpflasterstraße war als eleganter, unsichtbarer Zulieferungsweg gedacht.
Nach einer Schießerei an der Discomeile verschwanden mehrere Täter spurlos. Erst später stellte sich heraus, dass sie über Notausgänge der Diskotheken am Rembertiring durch die Unterpflasterstraße entkommen waren. „Erst da wurde diese Straße wieder einigermaßen bekannt“, erzählt Calic.
Eindrücke unter dem Bahnhhofsvorplatz
Dann führt der Experte seine Gäste zum Hauptbahnhof. Hier liegt der Eingang zum Tiefbunker unter dem Bahnhofsvorplatz. Den Hauptzugang bildet eine große befahrbare Rampe. Bei nicht so angenehmen Gerüchen führt der Weg die Besucher in die unterirdische Anlage, die sich fast unter dem gesamten Platz erstreckt.
Während des Kalten Krieges befand sich hier ein Bunker, in dem sehr viele Menschen Unterschlupf finden konnten. Danach dienten die unterirdischen Räume als Parkplatz für Behördenfahrzeuge.
In den 1990er Jahren wurde eine Klappe gebaut, die einen direkten Zugang auf den Bahnhofsvorplatz ermöglicht – wer darunter steht, kann hören, wie die Rollkoffer direkt über seinem Kopf über den Platz gezogen werden.
Ein Schönheitsfehler mit Folgen
Das Vorhaben hatte nur einen Schönheitsfehler: Die Klappe entsprach nicht den Brandschutzvorgaben und war somit nicht nutzbar. Seither ist der Bunker ungenutzt. Nur noch alte Sanitärräume und Maschinen erinnern an seine frühere Funktion.
Weitere Informationen zu den Führungen an verborgene Orte in Bremen gibt es unter www.stattreisen-bremen.de.