Interview

Rudolf Seiters: „Wir könnten mehr einstellen“

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Der Ehrenpräsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, spricht im Interview über Freiwillige, Flüchtlinge und die Politik.

Weser Report: Herr Seiters, was braucht das Deutsche Rote Kreuz, kurz DRK, jetzt am dringendsten?

Rudolf Seiters: Wir sind sehr glücklich, dass die Zahl unserer ehrenamtlichen Helfer 2018 noch einmal gestiegen ist: von 400.000 auf 425.000. Wir haben also eine große Unterstützung in der Bevölkerung. Wir sind generell auch zufrieden mit der finanziellen Unterstützung, die wir durch Spenden bekommen, und mit der Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt bei Einsätzen im Ausland. Wir haben in Deutschland aber generell große Probleme im Bereich der Pflege.

Hat das Rote Kreuz noch genug Blutspender?

Bisher haben wir es immer geschafft, die Krankenhäuser mit den notwendigen Blutreserven zu versorgen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das auch in Zukunft trotz der demografischen Entwicklung schaffen werden. Wir haben treue Blutspender und viele Ehrenamtliche, die bei jedem Einsatz dabei sind.

Wie ist der Zuspruch bei Jüngeren?

Durch das Freiwillige Soziale Jahr und das Bundesfreiwilligenjahr haben wir die Möglichkeit, neue Helfer zu gewinnen. Wir machen die Erfahrung, dass viele, die ein freiwilliges Jahr bei uns absolviert haben, als Ehrenamtliche oder Hauptamtliche wieder zu uns kommen. Zurzeit haben wir 12.500 Plätze für das freiwillige Jahr. Wir könnten noch mehr Freiwillige einstellen, wenn der Bund die finanziellen Mittel aufstocken würde.

Rudolf Seiters (CDU) war Chef des Kanzleramts.Foto: DRK

Sie waren 2015 DRK-Präsident, als viele Flüchtlinge kamen. Damals war die Hilfsbereitschaft der Deutschen groß. Inzwischen gibt es viel Misstrauen. Warum?

Ohne das Rote Kreuz und die anderen Hilfsorganisationen hätten wir die Probleme nicht so bewältigen können, wie das geschehen ist. Aber die Arbeit ist noch lange nicht getan. Wir müssen genau differenzieren zwischen denen, die Hilfe brauchen, weil sie Anspruch auf Asyl haben, und denen, die aus anderen Gründen nach Deutschland kommen. Wir müssen unsere Anstrengungen in den Ländern verstärken, in denen die Menschen für sich keine Zukunft mehr sehen.

Einige Organisationen haben Schiffe ins Mittelmeer geschickt, um Flüchtlingen zu helfen, wurden dafür aber sehr kritisiert. Zu Recht?

Man ist in dieser Frage hin- und hergerissen. Auf der einen Seite drohen Flüchtlingen dort Gefahren, auf der anderen Seite dürfen wir nicht zulassen, dass Schlepper die Hilfsbereitschaft ausnutzen.

Sie waren bei der deutschen Wiedervereinigung Chef des Bundeskanzleramtes. Haben sich die Hoffnungen von damals erfüllt?

Die Grundentscheidungen, die wir damals getroffen haben, waren richtig. Es gibt in der ehemaligen DDR heute blühende Landschaften. Natürlich bestehen noch Unterschiede im Wirtschaftseinkommen und in der Besetzung von Führungspositionen. Daran muss gearbeitet werden. Aber der Weg der deutschen Einheit war ein großer geschichtlicher Erfolg.

Dann kann man den Solidaritätszuschlag abschaffen?

Wenn man ihn abschafft, muss man auf andere Weise ein besonderes Augenmerk auf die schwächeren Regionen richten, die es nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in Westdeutschland gibt.

Anders als zu Ihrer Zeit als Politiker herrscht heute viel Misstrauen gegenüber Politikern. Wie kann man die Menschen wieder für die Politik begeistern?

1990/91 gab es in Europa eine große Aufbruchstimmung. Heute haben viele Menschen Angst vor der Globalisierung und misstrauen Europa, weil immer mehr Entscheidungen in Brüssel getroffen werden und nicht mehr in Berlin. Doch ohne Europa können die Nationalstaaten die Probleme der Zukunft nicht lösen.

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