Viel Applaus erhielt Linken-Ikone Gregor Gysi nach seinem Vortrag vor dem Loccumer Kreis Dienstagabend im Rathaus. Aus der Zustimmung zu vielen seiner Thesen wird aber kaum eine bleibende Anhängerschaft zu den politischen Vorstellungen des Redners gewachsen sein. Foto: Möller Viel Applaus erhielt Linken-Ikone Gregor Gysi nach seinem Vortrag vor dem Loccumer Kreis Dienstagabend im Rathaus. Aus der Zustimmung zu vielen seiner Thesen wird aber kaum eine bleibende Anhängerschaft zu den politischen Vorstellungen des Redners gewachsen sein. Foto: Möller
Vortrag

Gregor Gysi kommt gerne nach Osterholz-Scharmbeck

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Gregor Gysi war schon im vergangenen Juni Gast an der Hamme, diesen Dienstag erneut: Weil es die Geburtsstadt von seinem Parteigenossen, dem Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, sei? Vielleicht.

Manch Besucher des Loccumer Kreises sah sich Dienstagabend in unverhoffter Nähe zu den Positionen eines politischen Außenseiters: Linken-Ikone Gregor Gysi tourt als Atheist, der sich aber vor einer gottlosen Gesellschaft fürchet, durch Talk-Shows und übers Land. Der Unterhaltungswert war hoch, dem 71-Jährigen wurde im übervollen Rathaussaal kräftig applaudiert.
Mit seiner Art zu predigen eroberte Gysi zwar rhetorisch die Herzen der über 200-köpfigen Zuhörerschaft, bekehren ließen sich dennoch wohl nur wenige.

Von was auch? Gysi hat den Großteil seiner Redezeit mit seinen bekannten oder nachlesbaren Positionen gefüllt. Von der Digitalisierung als großer Chance, aber auch hohem Risiko für die Menschheit hat er gesprochen. Natürlich mit seinem Markenzeichen, dem Humor: Bei zunehmender Technisierung seien auch ständig neue Arbeitsplätze geschaffen worden, „zuerst erfand man das Telefon und dann die Telefonseelsorge“.

Mit Humor argumentiert es sich besser

Die Lacher auf seine Seite gebracht, erklärte der Politprofi dann, warum mit der digitalen Revolution auch Veränderungen des Sozialsystems einhergehen müssten. Schon seit geraumer Zeit mache er sich dafür stark, die Arbeitgeberanteile an den Lohnnebenkosten abzuschaffen und stattdessen eine Unternehmenssteuer nach der jeweiligen Wertschöpfung einzuführen.
Gysi fordert von der Politik, dass deren Akteure Konzepte für Probleme zu entwickeln hätten, die sich erst in der Zukunft offenbaren. „Entweder die Wähler glauben es dir, oder sie wählen dich dafür ab“, das müssten die Regierenden aber aushalten. Die Flüchtlingslage sei entstanden, weil Politiker nicht früh genug gegengesteuert hätten. Und Gysi sieht keine Lösungen im Bau irgendwelcher Mauern, er will weltweite Gerechtigkeit. Handy und Internet ermöglichen einen weltweiten Lebensstandardvergleich. Würde man die Güter nicht gleichmäßiger verteilen, kämen die Menschen eben zu uns. Seiner eigenen Partei rät er dringend, die soziale Frage nicht bloß national zu beantworten, sondern sie global zu stellen.

Von der Kirche, und so kam er langsam zum Thema seiner Einladung, erwartet Gysi, dass sie sich ebenfalls für Gerechtigkeit engagiert. Er würdigte die Reformation vor 502 Jahren, die zu Fortschritt, auch im Verhältnis der Geschlechter zueinander, geführt habe. Demokraten seien aufgerufen, sich nationalen Egoismen entgegenzu-stellen. Gysi nennt sich selbst einen Atheisten. Aber er wünscht sich keine ungläubige Gesellschaft. „Wie wäre es denn, wenn es kein Weihnachten mehr gibt“, fragte er. Christen würden im Advent darüber sinnieren, was sie falsch und richtig gemacht hätten und daraus ergebe sich eine große Spendenbereitschaft. Atheisten glauben nicht an Gott, aber sie spenden auch, „aus schlechtem Gewissen“.

Gysi wünscht sich die Kirche an seine Seite

Die Bergpredigt enthalte für ihn die entscheidende Botschaft. Die Kirche ist für ihn daher die einzige Institution, die allgemeingültige, moralische Handlungsanweisungen geben könne. Sie trage Verantwortung auch in der Gerechtigkeitsfrage. Darüber hinaus würdigte er das Engagement von Christen für die Gesellschaft und nannte Krankenhäuser, Altenheime und Kindergärten. Gysi respektiert, dass in einer demokratischen Gesellschaft immer verschiedene Kräfte miteinander ringen. Er bemüht sich dabei, die Kirche als Bündnispartner an seine Seite zu bekommen. Auch, wenn er dafür teilweise Kritik in seinen eigenen Reihen ernte.

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