Am dunkelgrauen Himmel über den Oberneulander Wümmewiesen leuchtet ein Regenbogen. Doch am Boden steht nicht die sagenumwobene Truhe voller Gold. Plastik weht umher – Planen mit dem Ausmaß von
100 mal 1,5 Metern. Sobald der Sturm kurz abebbt, schwärmen Hajo Kaemena und zwei polnische Erntehelfer aus, um die Folien einzufangen. „Bei Wind ist das ein Ding der Unmöglichkeit, wir würden selbst mit
abheben“, sagt der Spargelbauer.
Doch ohne die Planen geht in der Saisonvorbereitung nichts. Denn mit ihnen werden jene Dämme geschützt, in denen das kaiserliche Gemüse dieser Tage heranreift. Genaugenommen sind es sogar drei Hüllen. Die unterste ist auf der einen Seite schwarz auf der anderen weiß – also zum Wenden. „So lässt sich die Temperatur darunter steuern. Bei kühler Witterung kommt der dunkle Part nach oben, damit die Sonne die Erde darunter aufheizt, bei
Hitze ist es umgekehrt“, erklärt der Fachmann.
20 Grad an den Wurzeln sind optimal
Über Folie Nummer eins gibt es eine weitere, mit rund zehn Zentimeter Luftraum dazwischen. Dieser Tunnel sei eine Art Treibhaus – verstärkt durch die dritte Schicht Plastik. „Eine aufwendige Geschichte“, sagt
der Landwirt. Aber momentan unverzichtbar, es gilt, schnellstmöglich eine Bodentemperatur von zwölf Grad zu erreichen. Vorher wächst nichts. An diesem Tag werden 7,8 Grad erreicht. Das sieht Kaemena beim Blick
auf sein Handy. Ein Thermometer, das sich in einem abgesenkten Kasten inmitten des Ackers befindet, sendet ihm die aktuellen Daten – gemessen in vier verschiedenen Höhen der Erhebungen.
Optimal seien 20 Grad an den Wurzeln der Spargelpflanze. „Wenn es soweit ist, wächst das Stangengemüse bis zu zwölf Zentimeter am Tag. Man kann beinahe zuschauen“, sagt der 50-Jährige. In den ersten Wochen der Saison freue er sich wiederum über alle Köpfe, die aus der Erde schauen. „Die muss man schon suchen – heißt alle zwei Meter die Folien anheben, um überhaupt welche zu entdecken. Deshalb ist Spargel Anfang April auch noch so teuer.“
Früher wachse der naturgemäß nicht. „Wer Mitte März schon welchen aus Deutschland anbietet, arbeitet mit Bodenheizungen. So könnte man theoretisch sogar zu Weihnachten welchen stechen.“ Auf dem Hof Kaemena geht es voraussichtlich kommende Woche los. Einige der 20 Erntehelfer aus Polen sind schon angerückt. 4,5 Hektar weißer Spargel und 0,7 Hektar grüner Spargel müssen bis zum 24. Juni abgeerntet werden. Die Felder selbst beschäftigen Kaemena hingegen viele Monate mehr.
Nach dem Johannistag, dem offiziellen Ende der Spargelzeit, lässt man die Pflanzen austreiben. „Sie werden bis zu zwei Meter hoch und bekommen kleine dünne Blätter, ähnlich wie Tannennadeln.“ Durch das Abstechen der Sprossen wurden die Stauden am Wachstum gehindert. Im Anschluss brauchen sie Zeit, um sich zu regenerieren. Neue chemische Energie, Baustoffe für das weitere Wachstum und Zuckerreserven müssen
gebildet und gespeichert werden.
Auf den Feldern ist ganzjährig Betrieb
Ohne wäre die Lebensdauer der Kultur und die Ernte im Folgejahr gemindert. „Beim ersten Frost stirbt das ehemalige Grün ab“, erläutert der Experte. Die Reste werden in den Boden eingearbeitet, Humus entsteht, die Dämme werden dem Boden fast vollständig gleich gemacht. Ganz dürfe man ihren Verlauf nicht unkenntlich machen.
Denn im Frühjahr sollen an gleicher Stelle ja wieder Erhebungen entstehen – dazu nutzt Kaemena einen besonderen Spargelpflug. Dieser Kreislauf spielt sich wie ein Uhrwerk ab – pro Feld über sieben bis acht Jahre. Dann muss eine neue Anbaufläche her. Der Untergrund ist ausgelaugt, das Wurzelwerk könnte krank geworden sein. „Früher hat man gesagt, dass ein Feld ein halbes Jahrhundert Pause vom Spargel braucht.“
Ein Fünftel täte es aber auch. Auf Hof Kaemena gibt es immerhin Ausweichmöglichkeiten. „Es wird einfach mit dem Grund getauscht, auf dem ab Ende Mai die Erdbeeren wachsen.“ Spricht‘s und eilt zurück ins Haus. Vorstellungsgespräche stehen an. Denn neben den Erntehelfern braucht er Aushilfen, die an seinen Ständen Spargel verkaufen. Das sind meistens Studenten, die nicht mehr als zwei Mal pro Woche Schichten übernehmen können. „Deshalb benötigen wir viel Personal, bis zu 30 Leute.“ Die hat er hoffentlich inzwischen gefunden, um Genießer im Bremer Osten mit den edlen Stangen versorgen zu können.