Der Prozess um die Geschehnisse in der Silvesternacht 2016/2017 in Lüssum hat jetzt mit der Urteilsverkündung ein Ende gefunden. Das Landgericht Bremen sah es als erwiesen an, dass die drei angeklagten Männer einen 15-jährigen Syrer in der Nacht auf den 1. Januar 2017 so schwer verletzt haben, dass dieser an den Verletzungen starb.
Die inzwischen 37 Jahre und 26 Jahre alten türkischen Angeklagten sind zu jeweils zwölf Jahren Haftstrafe verurteilt worden, der inzwischen 18 Jahre alte Deutsch-Armenier zu sechs Jahren Jugendstrafe. Die Richterin ging in ihrer Urteilsbegründung auf die einzelnen Zeugen ein, schilderte ausführlich die Sicht des Gerichts auf deren Aussagen und rekonstruierte das Geschehen.
Demnach sind die drei Angeklagten dem 15-jährigen Syrer in ein türkisches Ladenlokal an der Lüssumer Heide gefolgt, nachdem dieser die drei zuvor beleidigt hatte. Die Angeklagten haben auf den Jugendlichen eingeschlagen und ihn getreten. Selbst als das Opfer benommen am Boden lag, sollen sie nicht von ihm abgelassen haben.
Gericht wertet Komplott-Theorie als „absurd“
Der 15-Jährige kam mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus. Aufgrund seines Zustands wurde er ins künstliche Koma versetzt und starb am 7. Januar an einer einer durch die Verletzungen bedingten Lungenentzündung.
In ihrem Urteil ging die Richterin auch auf die von der Verteidigung eingebrachte Komplott-Theorie ein. Es habe zu keinem Zeitpunkt den Anlass gegeben, dieser Theorie nachzugehen. Sie sei aus Sicht der Kammer „absurd“. Immer wieder habe die Verteidigung erfolglos versucht, mit den Zeugen religiöse und politische Themen zu erörtern, um die These zu bestätigen.
Die Mutter des Opfers war bei der Urteilsverkündung anwesend. Sie brach zusammen und wurde mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht. Noch während die Richterin die Begründung des Urteils verlas, beschimpfte der 18-jährige Angeklagte die Vorsitzende als „Schlampe“. Während der Verkündung verließen mehrere Personen aus dem Zuschauerraum den Saal und knallten teilweise die Tür hinter sich zu. Die Polizei war am Tag der Urteilsverkündung mit verstärkten Kräften vor Ort.
Angeklagten haben bis zum Schluss geschwiegen
Der Prozess begann im Juli 2017 und dauerte 74 Verhandlungstage. Viele Zeugen mussten gehört werden, da kaum objektives Beweismaterial wie DNA oder Faserreste vorlag. Immer wieder ging es auch um die Herkunft der Beteiligten.
Die Angeklagten haben bis zum Schluss zur Tat und ihrer Rolle dabei geschwiegen. Als die Richterin ihnen das letzte Worte gab, dankten die ihren Anwälten, Familien und den Justizwachtmeistern. Ein Wort zur Tat fiel auch dann nicht.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Verteidigung prüft, ob sie in Revision geht. Die bereits in U-Haft verbrachte Zeit wird den Angeklagten auf ihre jeweilige Strafe angerechnet.