Susanne Geils (61) ist seit 2006 Bürgermeisterin in Ritterhude. Foto: Harm
Interview

„Das Thema geht mit viel Unruhe einher“

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Ritterhudes Bürgermeisterin Susanne Geils spricht über Pläne auf dem Bergolin-Gelände und Pläne für 2020.

Weser Report: Was hat Sie in den vergangenen zwölf Monaten am meisten bewegt?

Susanne Geils: Bewegt hat uns 2019 eine ganz Menge. Niemand hätte vor ein, zwei Jahren gedacht, dass das Thema Klimaschutz mal so Fahrt aufnehmen wird. Es ist richtig, dass jetzt vieles stärker angefasst wird, auch wenn es schon in den vergangenen Jahren – auch hier in Ritterhude – Bemühungen gab. Sehr positiv finde ich auch, dass die jungen Menschen sich so massiv mit dem Thema Klima beschäftigen. Bedauerlich ist aber, dass dadurch viele andere Themen in den Hintergrund geraten.

Mich beschäftigen zum Beispiel auch die Zunahme der Radikalisierung und des Fremdenhasses sowie die soziale Ungerechtigkeit und die Generations-Chancengleichheit. Wir wissen zum Beispiel jetzt schon, dass die Generation derer, die jetzt in Rente sind, häufig am Existenzminimum leben. Das ist auch etwas, was die jüngere Generation bewegen sollte. Mich hat außerdem beschäftigt, was mit den Volksparteien passiert ist.

Welche Themen sind es denn direkt vor Ort?

Unter vielen anderen Themen hat mich der Bau der Kita Deltastraße sehr bewegt. Ein Neubau, der bereits im letzten Jahr fertiggestellt werden sollte, hat sich leider erneut verzögert. Nun müssen wir im Februar 2020 mit einer Interimslösung im Container starten. Das ist sicherlich keine Ideallösung, aber leider notwendig, um endlich den Betrieb aufnehmen zu können. Mit der Fertigstellung rechnen wir zum neuen Kita-Jahr im August 2020. Ein weiteres großes Thema war die Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes für die Gemeinde Ritterhude. Hierzu fanden mehrere Workshops statt. Im Rahmen dieses Programms ist das energetische Quartierskonzept ein wichtiger Baustein zum Thema der zukünftigen Entwicklung der Gemeinde.

Verkehr war auch noch ein Thema: Zum einen aufgrund der teilgesperrten Lesumbrücke, zum anderen aufgrund der Baustelle an der B 74. Wie hat sich die Situation entwickelt?

Die Baustelle an der B 74 ist sehr gut gelaufen. Wir wurden eng eingebunden und es gab am Anfang tägliche Absprachen, um die Situation zu verbessern. Denn anfangs war es chaotisch, es wurden Schleichwege genutzt, Straßen waren verstopft. Es war ungünstig, dass wir so viele Baustellen gleichzeitig hatten. Aber ich sage gerne: Es muss erst schlechter werden, bis es besser wird. Ritterhude ist geografisch so gelegen, dass wir die Auswirkungen durch die vielen Pendler direkt spüren. Den einen oder anderen bringt es vielleicht dazu, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen.

Im Herbst 2019 gab es noch die Nachricht, dass sich etwas auf dem Bergolin-Gelände an der Kiepelbergstraße tun soll. Was ist dort geplant?

Dort werden ein Wohngebiet und nicht-störendes Gewerbe, wie zum Beispiel Büros, entstehen. Das Thema geht mit viel Unruhe einher, bedingt durch die Erfahrung, die die Menschen in dem Quartier gemacht haben. Die Explosion auf dem Gelände des Unternehmens und der Brand sind traumatische Erlebnisse, die ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Dadurch gibt es viel Misstrauen, das wir auch bedenken müssen.

Der Projektplaner ist ein Ortsansässiger und ist hier verwurzelt. Er weiß um die Thematik. Das hat viele Vorteile, wir haben einen guten Austausch, können Ideen diskutieren und auch welche ad acta legen. Die Menschen vor Ort wollen am liebsten ein reines Wohngebiet, aber das ist nicht machbar. Wir können den Anwohnern bestätigen, dass es nichts wird, was sie aus ihrer Erfahrung kennen. Dort wird keine Firma hinkommen, bei der es Gestank oder Dreck gibt oder von der Gefahr ausgeht.

Was war 2019 noch wichtig?

Wir sind im vierten Jahr mit dem gemeinsamen Klimaschutz-Projekt mit unserer polnischen Partnerstadt Sztum. Künftig sollen dabei auch die Schulen eine Rolle spielen. Es gibt jährliche Treffen. Dieses Jahr waren wir in Berlin eingeladen. Das Projekt zwischen Ritterhude und Sztum konnte im Ministerium vorgestellt werden, weil es als besonderes bilaterales Projekt gilt. Darauf sind wir natürlich stolz.

Wie steht es um die finanzielle Lage der Gemeinde?

Die Gemeinde Ritterhude befindet sich seit vielen Jahren in einer angespannten Haushaltslage. Ende 2014 hatten wir Altfehlbeträge in Höhe von 10,2 Millionen. Jetzt – fünf Jahre später – haben sich nach vorläufigen Schätzungen, die Altfehlbeträge auf 5,2 Millionen reduziert.Wir haben durch viele Maßnahmen und strukturelle Veränderungen also die Hälfte davon innerhalb von fünf Jahren abgebaut. Wenn alle diese Beträge weg sind, können wir wieder richtig investieren. Wir sind auf einem guten Weg.

Welche Themen kommen 2020 auf Ritterhude zu?

Zahlreiche Projekte werden weitergehen. 2020 steht zum Beispiel die Neuauflage des Gemeindeentwicklungskonzeptes an. Darin soll ein Fahrradwege-Konzept integriert werden. Dann werden wir mit dem Kita-Ausbau weitermachen, hier sind bereits zwei weitere Bauten angedacht. Hierzu benötigen wir eine Planung, die die Geburtenzahlen berücksichtigen. Natürlich beschäftigt uns die Akquise von Fachpersonal in diesem Bereich.

An den Schulen werden Themen wie Umsetzung des Digitalpaktes und bauliche Sanierungsmaßnahmen den Alltag bestimmen. 2019 wurde bereits ein Feuerwehrbedarfsplan erarbeitet. Neue Standards und größer gewordene Fahrzeuge verlangen zum Beispiel nach größeren Gerätehäusern. Im Haushalt sind bereits Planungskosten für die Herstellung eines neuen Feuerwehrgerätehauses in Ihlpohl eingestellt.

Wie steht es um den Breitbandausbau?

Das ist auch ein großes Thema. Es sollen auch die letzten weißen Flecken in der Gemeinde beseitigt werden, insbesondere in Gewerbegebieten und Schulen. Da haben wir teilweise noch Lücken. Würden wir alles flächendeckend ausbauen, sind das Kosten von 400.000 Euro für die Gemeinde.

Worauf freuen Sie sich 2020 am meisten?

Ich freue mich auf die Einweihung der Kita Deltastraße. Ein Riesenwunsch ist, dass die Anwohner der Kiepelbergstraße über die geplanten Maßnahmen informiert und sie beteiligt werden, damit ihnen Sorgen genommen werden.
Privat freue ich mich auf eine Südafrika-Reise mit meinem Mann.

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