Olaf Cordes ist Direktor des Institutes für Rechtsmedizin am Klinikum Mitte. Hier wird die Qua­lifizierte Leichenschau für Bremen und Bremerhaven durchgeführt. Archivfoto: WR
Leichenschau

Wartezeiten in der Leichenhalle

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Besonders Muslime sind betroffen: Warum die Qualifizierte Leichenschau vielen noch zu lange dauert.

Seit August 2017 gilt in Bremen die Qualifizierte Leichenschau – seitdem muss jeder Tote zusätzlich von einem Rechtsmediziner untersucht werden, um Tötungsdelikte oder unklare Todesursachen besser aufklären zu können.

2,5 Jahre später ist die Kritik an dem Bremer Verfahren noch nicht versiegt. Nachdem lange Wartezeiten besonders nach der Einführung der neuen Regelung für Beschwerden gesorgt hatten, beklagt nun die Bremer Grünen-Fraktion, dass vor allem religiöse Belange durch die teilweise langen Wartezeiten nicht genügend berücksichtigt werden können.

Grüne erkundigen sich beim Senat

„Mich haben schon sehr viele Muslime angesprochen, die leider viel zu lange auf die Bestattung eines Angehörigen warten mussten“, erklärt die Bürgerschaftsabgeordnete Sülmez Dogan.

Für die Fragestunde der nächsten Sitzung der Stadtbürgerschaft hat sie sich deswegen mit ihren Parteikollegen in einer kleinen Anfrage erkundigt, ob dem Senat Beschwerden darüber bekannt sind, dass eine zeitnahe Bestattung in vielen Fällen nicht mehr möglich ist und gefragt, was dagegen getan werden soll

Verzögerungen bei Leichenüberführungen

Laut Dogan ist besonders die ältere muslimische Generation betroffen, da aus dieser noch viele Menschen darauf bestehen, dass ein Leichnam für eine Bestattung in das jeweilige Heimatland überführt werden solle. Zudem sei im Islam eine Beisetzung innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach dem Tod vorgesehen. „Deswegen wollen wir das Gesetz verbessern“, erklärt Dogan.

Zuständig für die Durchführung der Qualifizierten Leichenschau ist das Institut für Rechtsmedizin am Klinikum Bremen-Mitte. „Das Team kann weit über 90 Prozent der Fälle noch am selben Tag oder am folgenden Werktag untersuchen“, erklärt Timo Sczuplinski, Sprecher des Klinikverbundes Gesundheit Nord (Geno).

Bis zu vier Leichenschauärzte sind unterwegs

Je nach Bedarf sind zwischen zwei und vier Leichenschauärzte in Bremen unterwegs, erklärt der Sprecher. Zu Einzelfällen könne es etwa dann kommen, wenn der Totenschein zum Beispiel noch nicht ausgefüllt wurde und der Arzt so noch nicht mit seiner Arbeit beginnen könne, sagt Sczuplinski. „Ein anderer Grund ist, wenn es eine deutliche Häufung an Sterbefällen an langen Wochenenden oder Feiertagen gibt“, sagt er.

Das könne die Kapazitäten im Einzelfall übersteigen und zu Verzögerungen führen. „Uns ist natürlich bewusst, dass jede Verzögerung für Hinterbliebene belastend sein kann. Um solche Situationen zu verhindern, leisten die Leichenschauärzte jeden Tag einen riesigen Einsatz“, sagt er.

Noch keine unentdeckten Tötungsdelikte festgestellt

Die Bilanz für die Qualifizierte Leichenschau fällt nach Angaben der Geno positiv aus. Demnach wurden durch das Verfahren zwar keine vorher unentdeckten Tötungsdelikte festgestellt – dafür seien jedoch pro Jahr die Todesursachen in etwa 100 Fällen korrigiert worden, zum Beispiel wenn ein Unfall im häuslichen Umfeld die eigentliche Todesursache war. Vereinzelt wurde auch ein Suizid als Todesursache festgestellt, der vorher nicht entdeckt worden war.

Pro Jahr werden in Bremen rund 6.500 bis 7.000 Verstorbene in einer Qualifizierten Leichenschau untersucht.

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