Weser Report: Was ist für Sie das Besondere an dem Festival „Gastgeber Sprache“?
Martin Renz: Es ist das Festival für Literatur in Bremen-Nord. Es gibt hier nichts Vergleichbares. Besonders ist auch, dass das Festival nicht zentral organisiert wird, sondern von unten wächst. Jede Autorin und jeder Autor kümmert sich um seine eigene Lesung. Alles läuft miteinander und es gibt keine Konkurrenz. So ist ein richtiges Netzwerk entstanden.
Heide Marie Voigt: Sonst würde das gar nicht funktionieren. Jeder muss selbst aktiv sein. Das heißt auch: Das sind Menschen von hier. Menschen, die man auch mal auf dem Blumenmarkt treffen kann. Es sind keine Menschen aus dem Fernsehen. Jeder ist hier willkommen.
Das Festival findet in diesem Jahr zum fünften Mal statt. Wie ist die Idee entstanden?
Heide Marie Voigt: Da steckt Britta Schmedemann hinter, die früher die Stadtbibliothek Vegesack geleitet hat. Sie hat Punkt 11 eingeführt: Immer samstags um 11 Uhr wird in der Stadtbibliothek gelesen. Da steht jedem die Tür offen. Und sie hat auch zwei Mal die Leser-Promenade organisiert. Aber das war in der Organisation zu aufwendig. Stattdessen ist die jetzige Form entstanden, übernommen von ‚Erinnern für die Zukunft‘: Jeder organisiert die Lesungen selbst und Martin und ich tragen die Termine zusammen. Die Autorinnen und Autoren haben sich darauf eingelassen.
Wie läuft die Organisation der einzelnen Lesungen ab?
Martin Renz: Die Autoren überlegen sich selbst, was sie vorstellen wollen und wo sie das tun möchten. Das kann ganz einfach sein, indem man ins eigene Wohnzimmer einlädt: Man muss sich nur überlegen, welchen Text man liest, wie viele Besucher man zulassen möchte und wann der Termin sein soll. Es können aber auch andere Orte ausgesucht werden. Da müssen dann eigenständig die Veranstalter kontaktiert werden. Als Stadtbibliothek unterstützen wir bei der Werbung, drucken Flyer, Postkarten und Programmhefte. Die Verteilung übernehmen dann wieder die Autoren.
Heide Marie Voigt: Man muss sich trauen, für die eigene Veranstaltung Werbung zu machen oder akzeptieren, dass nur wenige kommen und man trotzdem liest.
Welche Rückmeldungen kommen von den Autoren?
Heide Marie Voigt: Die Eröffnungsveranstaltung ist wichtig geworden für die Autoren. Es wird gemeinsam ein Thema ausgeschrieben, jeder sucht dann Texte aus, die an einem Abend gelesen werden. Vorher werden mit Franziska Mencz die Aussprache und Präsenz geübt. Das stärkt auch den Zusammenhalt. Wir wissen inzwischen, wie alle ticken. Und die Stadtbibliothek ist für alle entscheidend, damit es mit der Werbung klappt.
Welche Orte besonderen Vorlese-Orte der vergangenen Jahre sind Ihnen im Gedächtnis geblieben?
Martin Renz: Was mir in Erinnerung geblieben ist, ist die Märchen-Lesung von Ilse Windhoff im Gartenhäuschen am Spinnrad. Das fand ich thematisch und von der Örtlichkeit her total passend. Auffällig finde ich, dass es dieses Jahr mehr Wohnzimmer-Lesungen gibt.
Heide Marie Voigt: Ich erinnere mich an die Lesungen in Hochhäusern in Blumenthal und in Vegesack. Leider verpasst habe ich die Lesung in der Kneipe Unner‘n Barg. Martin Mader hat mal beim Museumshaven- und Kutterverein gelesen im Thiele-Speicher. Das war auch toll.
Was erwartet die Besucher in diesem Jahr?
Martin Renz: Eines der Highlights wird die Eröffnungsveranstaltung. Das ist wie ein kleines Schaufenster, in dem man viele Autoren, die später eigene Lesungen anbieten, schon mal kennenlernen kann. Dieses Jahr geht es um das Thema Kindheit. 16 Autoren machen mit – so viele hatten wir noch nie.
Heide Marie Voigt: Besonders ist auch, dass Ahmed Yussuf mitmacht. Das wird dann aus dem Arabischen übersetzt. Es ist eine ganz andere Sprache, viel Bildhafter und sehr schön.
Was ist in diesem Jahr neu?
Heide Marie Voigt: Wir haben mit dem Literaturkontor Kontakt aufgenommen. 2019 ist zu unserer Schlussveranstaltung in der Stadtbibliothek Jens Laloire vom Literaturkontor gekommen und hat sich alles angeschaut. Er fand es interessant und schickt dieses Jahr vier Autoren zum Lesen ins Nunatak.
Besonders ist auch – jedes Jahr wieder – dass es keine öffentlichen Gelder zur Unterstützung gibt. Wir werden zwar von der Stadtbibliothek gefördert, aber es fließt kein Geld. Wir sind autark und können kreativ werden, ohne Anträge zu stellen. Wir geben dieses Jahr auch zum ersten Mal ein Heft mit den Texten der Eröffnungsveranstaltung heraus.
Gibt es Pläne für Zukunft des Festivals?
Heide Marie Voigt: Das können wir nicht sagen. Wir müssen schauen, was sich entwickelt und was wir mit unseren Kräften stemmen können.
Martin Renz: Das Festival ist ein fluides Konstrukt – da hängt es von den Mitwirkenden ab, wie es weitergeht. Was sich bewährt hat, sind Treffen nach dem Festival, bei dem die Autoren sagen können, was gut und was weniger gut gelaufen ist. Da wird dann auch darüber gesprochen, wie es weitergehen soll.
Über das Festival:
Das Literaturfestival „Gastgeber Sprache“ findet vom 28. Februar bis 4. April statt. Geplant sind mehr als 30 Lesungen hiesiger Autorinnen und Autoren an über 20 Orten in ganz Bremen-Nord. Gelesen wird in Wohnzimmern, im Kindergarten, im Geschichtenhaus oder bei Vereinen und Einrichtungen. Die Eröffnungsveranstaltung am 28. Februar beginnt um 19 Uhr in der Stadtbibliothek Vegsack, Kirchheide 34-42.
Das gesamte Programm des Literaturfestivals ist online auf stabi-hb.de/gastgeber-sprache-2020 abrufbar.