Weser Report: Herr Scholz, kommen seit der Ausbreitung des Coronavirus mehr Menschen in die Apotheken?
Klaus Scholz: Es gab eine große Zunahme, als bekannt wurde, dass die Schulen schließen. Da haben viele ihre Hausapotheke aufgefüllt. Jetzt ist es wieder ein bisschen ruhiger geworden.
Welche Hamsterkäufe gab es? Mundschutz? Desinfektionsmittel?
Ja, Hamsterkäufe gab es auch bei uns. Aber Mundschutz konnte man nicht hamstern. Wir hatten keinen und bekommen auch keinen. Desinfektionsmittel konnte man auch nicht lange hamstern, es war nach zwei Tagen ausverkauft. Die Unternehmen kommen mit der Produktion nicht hinterher. Deshalb kam die Idee auf, es selbst herzustellen.
War das den Apothekern nicht einmal verboten worden?
Ja, vor vier Jahren, aber es gibt Ausnahmen. Desinfektionsmittel für die Hände dürfen wir nun selber machen. Wir beziehen den Alkohol von einer Brennerei und verdünnen ihn. Die dürfen den jetzt steuerfrei an Apotheken verkaufen. Aber es mangelt in Deutschland an Flaschen. Wir verkaufen das Desinfektionsmittel in 0,7-Liter-Flaschen, rund 70 am Tag. Von einer Edelbrennerei habe ich jetzt 0,5-Liter-Flaschen bekommen, in edlem Design und mit Holzkorken. Kleinere Flaschen bekommen wir derzeit nicht.
Was wurde noch gehamstert?
Paracetamol, ein Mittel gegen Kopfschmerzen und Fieber. Das war so gefragt, dass das Gesundheitsministerium uns anwies, wir dürften nur noch eine Packung je Kunde und nur bei akuten Beschwerden verkaufen.
Wie schützen Sie sich und Ihre Mitarbeiter?
An den Verkaufstresen haben wir Plexiglasscheiben aufgestellt. Zum Glück haben wir das früh gemacht, denn jetzt gibt es kein Plexiglas mehr. Aber es musste in Deutschland auch schon eine Apotheke schließen, weil ein Mitarbeiter infiziert war. Ich hoffe, wir bekommen eine Regelung, wie sie für Krankenhäuser gilt. Sie schicken Verdachtsfälle nach Hause, müssen aber nicht die Abteilung schließen. Die Gesunden dürfen weiter arbeiten.
Läuft das Geschäft wieder normal? Die Apotheken dürfen ja öffnen.
Ja, es läuft wieder weitgehend normal. Einige Apotheken in den Innenstädten haben aber kaum etwas zu tun. Da fast alle Geschäfte geschlossen haben, fahren wenige Menschen in die Innenstädte. Die Apotheke in Deutschlands größtem Einkaufszentrum, dem Centro in Oberhausen, musste Kurzarbeit beantragen.
Wie verändert die Coronakrise Ihre Branche?
Die Zahl der Apotheken sinkt schon seit Jahren. 1990 hatten wir in Deutschland 22.000, jetzt sind es 19.000. Das ist vor allem auf dem Land ein Problem. In Mecklenburg-Vorpommern muss man manchmal 40 Kilometer bis zur nächsten Apotheke fahren. Wirtschaftlich ist eine Apotheke nur, wenn sie mindestens 1,5 Millionen Euro im Jahr umsetzt, eine Durchschnittsapotheke kommt auf rund 2,3 Millionen Euro.
Was bewirken die Online-Apotheken?
Sie verkaufen hauptsächlich rezeptfreie Medikamente. In dem Bereich haben sie uns 15 Prozent des Geschäfts abgejagt. Bei rezeptpflichtigen Medikamenten nur ein Prozent. Bei solchen Medikamenten müssen die Patienten ihr Rezept mit der Post an die Online-Apotheke schicken, erst dann darf versandt werden. So lange wollen viele nicht warten.
Liefern die traditionellen Apotheken auch nach Hause?
Die Apotheken haben die Botendienste stark ausgebaut, obwohl wir im Normalfall dafür nichts bekommen. Aber die Infizierten sollen so wenig Kontakt wie möglich zum Apotheker haben. In Baden-Württemberg werden Botendienste neuerdings von den Kassen bezahlt.