„Jeder hat doch schon mit einem Tier oder einer Pflanze gesprochen und sich dabei vorgestellt, verstanden zu werden“, sagt Dr. Annett Reckert, Leiterin der Städtischen Galerie Delmenhorst. „Und jeder hat sich schon einmal ausgeschlossen gefühlt, etwa wenn er fremde Schriftzeichen betrachtet hat oder mit Gebärdensprache oder Blindenschrift konfrontiert wurde“, fügt sie hinzu.
Sprache auf vielfältige Art begegnen
In der Villa und in der Remise der Städtischen Galerie Delmenhorst kann man bis zum 10. Januar 2021 Sprache auf vielfältige Art begegnen. Die Ausstellung „Meeting in Language“ wurde mit Werken von 30 nationalen und internationalen Künstlerinnen und Künstler bestückt. Einige stehen am Beginn ihrer Karriere, andere sind international gefragt.
In der Ausstellung begegnet man Sprache und Sprachen unter anderem als Wandmalerei, auf Postkarten, in Büchern, als Teppich, aus Holz, Papier und gestickt, in Bildern, Videos, als Klang, als Geste. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage nach dem kommunikativen Miteinander.
Hommage an Joseph Beuys
In der ersten Etage begegnet man zwei lebenden Kaninchen in einem raumfüllenden Gehege. Das Werk ist eine Hommage an Joseph Beuys und dessen berühmte Aktion „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“. 1965 hielt Beuys einen toten Hasen im Arm und erklärte ihm leise seine Kunstwerke.
Der Künstler Rolf Giegold schuf im Jahr 2006 ein Kunstwerk, das an diese Aktion erinnert. Es trägt den Titel „Wie sich dem lebenden Hasen den toten Beuys erklärt“. Der Stall verfügt über einen Diaprojektor, so dass die beiden Kaninchen (eine Deutsche Riesin und eine Weiße Neuseeländerin) den ganzen Tag Wörter gezeigt bekommen, die Beuys sehr wichtig waren, wie zum Beispiel Blei, Blut, Bronze.
Beo, Stare und ein Amazonas-Papagei
Auch ein Beo, Stare und ein Amazonas-Papagei sind in die Bürgervilla eingezogen. Allerdings nicht real, sondern in Form von Ton- und Filmaufnahmen. In der Remise wird eine Videoarbeit von Rivane und Sérgio Neuenschwander gezeigt. In Dauerschleife läuft ein Film, in dem ein Papagei Kürbiskerne frisst, auf denen unter anderem Punkt, Komma und Fragezeichen gemalt sind. Genau diese Satzzeichen scheinen einem Radio-Sprecher zu fehlen, der auf portugiesisch ein Fußballspiel kommentiert. Er spricht, wie man im Deutschen sagt, ohne Punkt und Komma.
Das 26 Bände umfassende „vollständige Wörterbuch von Tine Melzer dürfen die Besucher nach Herzenslust durchblättern. Darin hat die Künstlerin und Forscherin alle möglichen Wörter mit sechs Buchstaben vermerkt. Gewöhnungsbedürftig ist das „Kakabet“ von Gelitin. Die Künstlergruppe haben immer dann ein Foto von ihrer Kloschüssel gemacht, wenn der Kot wie ein Buchstabe, eine Zahl oder ein Satzzeichen aussah.
Malerei, Drucke, Skulpturen und mehr
Die Künstlerin Esra Oezen hat sich von einem Lehrbuch ihres Vaters von 1973 für türkische Gastarbeiter inspirieren lassen. Die Worte und Sätze darin sind in Lautschrift geschrieben. Ausgewählte Wörter wie yavol für jawohl oder mayn für mein hat Oezen neu arrangiert. Auszüge davon findet man an den Museumswänden.
Dort findet man auch eine Arbeit von Rima Radhakrishnan. „Mich fasziniert, dass man in der deutschen Sprache aus zwei Wörter neue Wörter basteln kann und dadurch Buchstabenketten entstehen, wie Zoootter oder volllabern“, sagt sie. „Meine Muttersprache ist Englisch. Da gibt es so etwas nicht“, betont sie.
Kurzeinführung im Innenhof
Immer freitags von 15 bis 18 Uhr bietet das Galerie-Team im Hof von Haus Coburg. an der frischen Luft eine 15 minütige Kurzeinführung in die Ausstellung. Danach geht es nach gusto getrennt in die Galerie.
Im Verlauf der Ausstellung erscheint eine Publikation, in der Texte über sämtliche Werke in einfacher Sprache zu finden sind. Ausstellung und Publikation werden großzügig vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der LzO Stiftung Kunst und Kultur und dem Freundeskreis Haus Coburg unterstützt.