Bürgermeister Andreas Bovenschulte lässt prüfen, ob Bremen auch 2023 noch neue Schulden aufnehmen muss. Foto: Schlie
Interview

Bovenschulte über „starkes Zukunftsprogramm“

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Wie Bürgermeister Andreas Bovenschulte die Folgen der Pandemie bekämpfen will.

Weser Report: Herr Bovenschulte, wie verändert die Corona-Pandemie Bremen langfristig?

Andreas Bovenschulte: Das ist schwer zu sagen, da der Verlauf der Pandemie schon so viele Prognosen widerlegt hat. Ich hoffe, es bleibt die Erkenntnis, dass wir auch die größte Herausforderung bewältigen können, wenn wir alle solidarisch zusammenstehen. Und, dass wir einiges in unserer Gesellschaft dringend verändern müssen. Die Diskussionen darüber, wer wie viel verdient und wer wie viel bekommt ist zum Beispiel sehr berechtigt. Große Sorge bereitet mir der durch die Pandemie verursachte wirtschaftliche Schaden. Auch das soziale Leben leidet derzeit massiv. Ich habe den Eindruck, dass die Stimmung gereizter ist, als während des ersten Lockdowns im Frühjahr. Deshalb ist es gut, wenn wir jetzt alle erst einmal etwas zur Ruhe kommen.

Neben den Hilfen des Bundes und der EU gibt es den Bremen-Fonds mit 1,2 Milliarden Euro. Wie lange reicht der?

Bisher ist weniger als die Hälfte der Summe verplant. Das Geld ist gut investiert, aber man muss sich immer vor Augen führen: Es ist nur geliehen, deshalb muss jeder Euro zweimal umgedreht werden, bevor er ausgegeben wird.

Für 2020 und 2021 hat Bremen eine Haushaltsnotlage festgestellt, darf also neue Schulden aufnehmen. Wie sieht es danach aus?

Die finanzielle Lage bleibt ernst. Auch 2022 werden wir eine besondere Notsituation haben, für 2023 prüfen wir das gerade. Ob die Mittel des Bremen-Fonds dann für den ganzen Zeitraum reichen, kann ich heute noch nicht sagen. Das ist unser Ziel, aber wenn es nicht reicht, ist eine Aufstockung nicht ausgeschlossen. Ohne Zukunftsinvestitionen wird es nämlich nicht gehen. Klar ist aber auch: Das Geld aus dem Bremen-Fonds dürfen wir nur ausgeben, um die Folgen der Pandemie zu beseitigen.

Welche Investitionen sind geplant?

Wir haben viel Geld in die eigentliche Pandemiebekämpfung gesteckt, beispielsweise in Schutzausrüstung, Stärkung der Gesundheitsämter und jetzt in die Impfzentren. Außerdem planen wir aktuell ein rund 200 Millionen Euro starkes Zukunftsprogramm zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen, wollen damit unter anderem den Ausbau der Wasserstoffindustrie, die dauerhafte Stabilisierung der Innenstädte in Bremen und Bremerhaven oder die Digitalisierung in Bremen fördern. Die Innenstadt Bremen stützen wir bereits vorab mit dem Sofort-Programm für die Innenstadt mit 13 Millionen Euro.

Bis auf die Piktogramme der Stadtmusikanten ist davon wenig zu sehen.

Da muss ich widersprechen. Ich verweise auf die tolle Beleuchtung der Innenstadt, auf die Aktion „Bremer Kultur Winterwonne“ oder auf die anstehende Eröffnung sogenannter Concept-Stores in leer stehenden Läden. Aber natürlich sind wir zur Zeit mit angezogener Handbremse unterwegs, weil es doch unnütz wäre, jetzt während des Lockdowns die Menschen in die Stadt zu locken. Deshalb setzen wir vieles erst im nächsten Jahr um. Meine Idealvorstellung für die Innenstadt: Im Mai ist das Virus zurückgedrängt, die Temperaturen steigen und nach Monaten der Zurückhaltung wollen die Menschen wieder einkaufen, ins Café oder ins Kino gehen. Wenn wir diesen zu erwartenden Nachholbedarf mit gut vorbereiteten Projekten flankieren, dann kommt für die Innenstadt eine sehr positive Mischung heraus.

Welche größeren Projekte sind geplant?

Zum Beispiel die Um- und Neugestaltung der Martinistraße. Auch das Balgequartier entwickelt sich weiter, unter anderem mit der neuen Idee eines Stadtmusikantenhauses am Marktplatz. Bewegung gibt es auch am Brill. Diskutiert wird, welche öffentlichen Nutzungen im ehemaligen Sparkassen-Komplex nach dem Umbau möglich sein könnten und wie das zu finanzieren wäre. Schließlich gehen auch die Überlegungen rund um das Parkhaus Mitte weiter. Und last not least soll ja auch mit dem Konzerthaus „Glocke“ noch einiges passieren.

Die Pandemie hat die schon lange bestehenden sozialen Unterschiede extrem verdeutlicht. Bremen hat eine hohe Zahl an Schulabgängern ohne Abschluss, eine hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen und ein großes Armutsrisiko. Was wollen Sie dagegen tun?

Bremen ist wie viele westdeutsche Großstädte stark vom Strukturwandel betroffen und hat seit Jahrzehnten einen hohen Sockel an Langzeitarbeitslosigkeit. Das ist die wesentliche Ursache dafür, dass wir so viele arme und armutsgefährdete Menschen haben. Überdurchschnittlich betroffen sind dabei Migrantinnen und Migranten. Besonders problematisch ist, dass sich die Armut in bestimmten Stadtteilen konzentriert, weil sich die Betroffenen nur dort eine Wohnung leisten können. Das beste Gegenmittel ist neben einer guten Quartiersarbeit und einer vorausschauenden Wohnungspolitik die Schaffung von Arbeitsplätzen von denen man leben kann. Wir brauchen Jobs, Jobs, Jobs – und zwar auch solche, für die es keiner hohen Qualifikation bedarf, auch wenn es natürlich unser Ziel bleibt, möglichst vielen Menschen eine gute Bildung und Ausbildung zu vermitteln. Ich bin da vielleicht etwas altmodisch: Wer sich nicht selber helfen kann, dem hilft der Staat. Aber besser ist, man hat Arbeit und kann für sich selber sorgen.

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