Henrik Schumacher und Rike Füller
Die Pläne gefallen nicht jedem: Nachdem bekannt wurde, dass der städtische Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) im Rahmen seiner Neuausrichtung die Geburtshilfe, Gynäkologie und Frühchenstation vom Klinikum Links der Weser (LDW) an das Klinikum Bremen Mitte (KBM) verlegen will, beschäftigte das Thema jüngst die Gesundheitsdeputation und den Beirat Obervieland.
In der Deputationssitzung erklärte Geno-Chefin Dorothea Dreizehnter, dass die Planungen in keinem Fall einen Qualitätsverlust bedeuten würden. So werde sogar eine höhere Zahl an Geburten pro Jahr möglich, so Dreizehnter. „Wir werden die Kapazitäten auf sechs Kreißsäle erhöhen. Die Teams und deren Abläufe bleiben aber bestehen, das ist ein großer Vorteil“, erklärte sie.
Ein weiterer Kreißsaal geplant
Im KBM soll demnach ein Geburtshilfekomplex mit einem Kreißsaal mehr als am LDW entstehen. Er wäre künftig der einzige Geburtshilfestandort an den drei Geno-Häusern im Stadtgebiet, nur das Klinikum Nord bliebe unberührt.
Die Klinikdirektion des LDW räumte im Obervielander Beirat ein, es handele sich bisher nur um Pläne, nichts sei entschieden. Allerdings sei dies die bevorzugte Option. Denn Doppelvorhaltungen – also etwa große Geburtshilfestationen an zwei Standorten – sollen vermieden werden.
Zustimmen muss also noch der Aufsichtsrat am 30. April.
Neubaukosten würden gesenkt
Gründe für den potenziellen Umzug sind laut Geno-Chefetage grundsätzliche Überlegungen zur Zukunft des LDW-Standortes in Kattenturm.
Dort besteht enormer Sanierungsbedarf – ein erforderlicher Neubau des Bettenhauses soll rund 200 Millionen Euro kosten. Durch eine Zentralisierung würde sich der Raumbedarf und damit das Investitionsvolumen reduzieren.
Ein weiterer Faktor sei laut Dreizehnter der Fachkräftemangel: Für den neuen Standort der Geburtshilfe am KBM wären schlicht zu wenig neue Hebammen gefunden worden.
Betriebsrat übt scharfe Kritik
Der Betriebsrat des Klinikums hatte in einem Brandbrief angeprangert, dass die Beschäftigten erst aus den Medien von den Plänen erfahren haben und bezeichnet das Vorgehen der Geno-Geschäftsführung als gesetzeswidrig.
Er fordert eine offenere Kommunikation der Geno zu ihren Mitarbeitern und erwartet auch von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard ein Statement zu den Vorkommnissen.
Die Arbeitnehmervertretung warnt davor, die Geno durch „Rationierung im kinder- und frauenmedizinischen Bereich zulasten der Patientinnenversorgung zu sanieren“.
Bernhard erklärte der Deputation, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. „Auch ich bin sehr verärgert, dass wir erst aus den Medien von den Plänen erfahren haben“, sagte sie.
Beirat rügt Verhalten der Senatorin
Im Beirat Obervieland stoßen die Pläne ebenfalls auf Ablehnung, zudem rügt das Gremium die Senatorin, weil diese der Einladung zur Sitzung nicht gefolgt sei. Dies sei eine Missachtung des Beirats sowie der Beschäftigten des LDW.
Im Stadtteil befürchtet man, der Abzug der Stationen sei erst der Anfang. Das Klinikum mit sehr gutem Ruf und als größter Arbeitgeber vor Ort werde zulasten des KBM ausgeblutet. „Das Klinikum LDW arbeitet im Geburtenbereich wirtschaftlich und hat gute Strukturen und einen guten Ruf in der ganzen Region. Diese Strukturen sollen zerrissen werden, um das Klinikum Mitte aufzubauen“, sagte Beiratssprecher Stefan Markus (SPD).
Das Argument der Doppelvorhaltungen beträfe womöglich künftig weitere Stationen, wie etwa die Chirurgie oder Onkologie, gab Roman Fabian (Die Linke) zu bedenken.
Besonders prekär: Auch eine Notfallversorgung in den betroffenen Bereichen sei dann links der Weser nicht mehr möglich, bestätigte Klinikdirektor Thorsten Rüßmann.
Abwanderung ins Umland?
Die Bürgermeister von Weyhe und Stuhr verfolgten die Sitzung ebenfalls. Die Gemeinden gehören zum direkten Einzugsgebiet des Klinikums LDW, rund 50 Prozent der Geburten dort sollen Familien aus dem Umland betreffen. „Ein gutes Angebot im Gesundheitsbereich muss unabhängig von Wohnort und Ländergrenzen geboten sein“, sagt Weyhes Bürgermeister Frank Seidel.
Da derzeit im Landkreis Diepholz keine Geburtshilfe ansässig sei, orientierten sich zahlreiche Familien nach Kattenturm erklärte Stuhrs Bürgermeister Stephan Korte. Und auch viele beschäftigte leben in den Umlandgemeinden.
Korte: „Für viele Familien ist das LDW einfacher zu erreichen als jene Kliniken im Landkreis und vor allem das KBM.“ Die neuen Kliniken in Twistringen und Delmenhorst würden künftig zur direkten Konkurrenz für das KBM – auch im Bereich Personal.
„Sowohl das LDW als auch das KBM werden künftig Patienten verlieren“, gab Korte zu bedenken. Fabian schloss sich an: „Wenn sich Mitarbeiter entscheiden, dann nach Twistringen zu wechseln, ist das KMB personell auch nicht stabil.“
Fragen offen
Auch die Frage nach den dann freien Flächen am LDW wollte der Beirat beantwortet wissen. „Es soll eine Kompensation stattfinden. Die weitere Planung sieht andere Ersatzdisziplinen vor“, erklärte Klinikdirektor Rüßmann dem Gremium und ließ dabei offen, um welche es sich handeln könnte. Dies sei in einem Gesamtkonzept zu entscheiden, nicht bereits Ende April.
Ein solches Konzept wünschen sich auch die Stadtteilpolitiker – aber bevor einzelne Abteilungen geschlossen werden. „Sonst heißt es am Ende, das LDW arbeite nicht wirtschaftlich und wird ganz geschlossen“, gab Fabian zu bedenken.