Die Bremer SPD-Bundestagsabgeordnete Sarah Ryglewski arbeitet als Staatsministerin im Bundeskanzleramt, das auch bei der Versorgung der Geflüchteten gefordert ist. Foto: Meyer
Interview

„Da höre ich noch genauer hin“

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Wie Staatsministerin Sarah Ryglewski zwischen Bund und Ländern vermittelt.

Weser Report: Frau Ryglewski, wie läuft die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Bundesländern angesichts der vielen Menschen, die jetzt aus der Ukraine nach Deutschland flüchten?

Sarah Ryglewski: Die Abstimmung läuft sehr gut. Die Situation ist auch anders als 2015. Damals musste langwierig geklärt werden, wer bleiben darf und welchen Status man bekommt. Dagegen dürfen die Menschen aus der Ukraine auf jeden Fall erstmal drei Monate ohne Visum bleiben und bekommen auch danach unkompliziert einen Aufenthaltstitel für die ganze EU. Das macht vieles einfacher, anderes aber auch kompliziert, da die Geflüchteten erst registriert werden, wenn sie Leistungen beantragen und auch nicht immer klar ist, ob die Menschen überhaupt in Deutschland bleiben wollen.

Aber die Kapazitäten der einzelnen Länder sind begrenzt.

Ja. Und daher wird jetzt auch schon bei der Einreise versucht, die Menschen auf das ganze Bundesgebiet zu verteilen. Zum Beispiel dadurch, dass Züge etwa aus Polen in alle Bundesländer gehen und nicht nur in Berlin oder Brandenburg enden. Dort werden auch Busse angeboten, damit die Menschen weiterreisen können. Es geht aber immer darum, dafür zu sorgen, dass die Menschen, überwiegend Frauen mit Kindern, gut versorgt werden. Aber es können nur Angebote gemacht werden. Grundsätzlich können sich die Menschen aus der Ukraine ihren Wohnort aussuchen und viele gehen in Städte und Gemeinden, in denen bereits viele Ukrainerinnen und Ukrainer, oder sogar Verwandte, leben.

Wie hilft der Bund den Ländern?

Neben Unterstützung bei der Verteilung, vor allem bei der Aufnahme und der Registrierung, unterstützt das Bundesinnenministerium die Länder. Außerdem gelten die Erleichterungen fürs Bauen von Unterkünften fort, die 2015 eingeführt wurden. Und der Bund schaut über die Bundesanstalt für Immobilienfragen, welche Liegenschaften für die Unterkunft von Geflüchteten zur Verfügung gestellt werden können.

Schon die Corona-Pandemie erforderte eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Wie sehr hilft diese Kooperation jetzt?

Nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch zwischen den Ländern untereinander sind Verbindungen gewachsen, die man jetzt nutzen kann. In den Bund-Länder-Runden wird zwar viel diskutiert und nicht immer konfliktfrei, aber in vielen Punkten ist man sich näher, als es nach außen manchmal den Anschein hat. Diese Basis hilft jetzt natürlich.

Einige Politiker haben diese Runde bisher auch zur Profilierung genutzt.

Es wird immer Leute geben, die sich profilieren wollen. Aber beim Thema Ukraine kann ich das auf keinen Fall feststellen. Hier wird sehr konstruktiv gearbeitet.

In diesem Jahr stehen vier Landtagswahlen an. Wie beeinflussen sie das Verhältnis zwischen Bund und Ländern?

Wahlen beeinflussen immer das politische Leben in Berlin und auch das Bund-Länder-Verhältnis. Und da wird natürlich auch mal versucht, schwierige Themen zu schieben. Klar ist aber auch: dicke Bretter wie Transformation, Energiewende und Beschleunigung der Planung muss die Bundesregierung allerdings eher am Anfang ihrer Amtszeit bohren, damit sie am Ende messbare Ergebnisse vorzeigen kann.

Häufige Streitpunkte zwischen den Ländern und dem Bund sind die Finanzen und die Bildungspolitik. Wie kommt man da zusammen?

In Fragen der Finanzierung liegen Bund und Länder immer auseinander. Aber es ist eigentlich immer gelungen, vernünftige Lösungen zu finden. Wenn die Länder vom Bund allerdings mehr Geld fordern, etwa für die Bildung, dann möchte der Bund dafür aber oft ein Mitspracherecht. Da war der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber in der Vergangenheit sehr klar. Die Länder müssen sich daher auch überlegen, ob sie wollen, dass der Bund immer bei allen möglichen Themen mit am Tisch sitzt.

Mitunter werfen Länder dem Bund vor, er übertrage ihnen neue Aufgaben, ohne dafür mehr Geld bereitzustellen.

Das passiert sicherlich an der einen oder anderen Stelle. Aber es gibt auch bestimmte Aufgaben, die der Bund zwar den Ländern zugewiesen hat, aber am Ende von den Ländern ohnehin angepackt worden wären. Zum Beispiel den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Kitas: Natürlich hat der Bund den Rechtsanspruch darauf eingeführt, er beteiligt sich auch an den Kosten, wenn auch nicht in dem Maße, wie die Länder das fordern. Aber auch ohne das Gesetz des Bundes hätten die Länder in den nächsten Jahren einen Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung eingeführt. Der politische Druck aus der Bevölkerung wäre hoch gewesen.

Sie sind Staatsministerin im Bundeskanzleramt, vertreten den Bund gegenüber den Ländern; gleichzeitig sind Bundestagsabgeordnete aus Bremen. Wie vereinbaren Sie das?

Zu meinem Amt gehört, dass ich offene Ohren für die Anliegen aller Länder habe und für diese auch innerhalb der Bundesregierung sensibilisiere. Und bei Bremen höre ich selbstverständlich noch einmal genauer hin und setze mich auch anders dafür ein. Die Akteure in Bremen kenne ich auch am besten und umgekehrt und viele Initiativen kann man auch schon von Anfang an gemeinsam planen. So kann ich oft schon hinter den Kulissen einiges erreichen.

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