Unter der titelgebenden Frage „Was ist verloren?“ stellt der Künstler Wieland Schönfelder seit vergangenem Freitag in der Städtischen Galerie Delmenhorst aus. Als Inspirationsquelle diente ihm eine Figurinen-Mappe von El Lissitzky, die 1923 in Hannover entstanden ist. 1988 kam eine Neuauflage heraus. Von diesen Blättern befinden sich mehrere im Bestand der Kunstsammlung des Delmenhorster Kunstmuseums.
Dr. Matilda Felix, Leiterin des Delmenhorster Kunstmuseums, fragte direkt bei Schönfelder an, ob er sich von diesem Thema für eine Ausstellung inspirieren lassen wolle. „Es ist seinen Figurengruppen anzusehen, dass ihr Ursprung im Theater liegt, denn das ist sein biografischer Hintergrund“, begründet Felix ihre Anfrage.
Für die besagte Figurinen-Mappe verarbeitete El Lissitzky 1923, die zehn Jahre vorher erstaufgeführte Oper „Sieg über die Sonne“ von Michael Matjuschin. Thema dieses Bühnenwerks ist das Fortschrittsstreben der Menschheit, die bei ihren hochgesteckten Zielen sogar die Sonne vom Himmel holt und besiegt.
Während die prototypischen Figurinen bei El Lissitzky in den 1920er Jahren eine zukunftsorientierte Aufbruchsstimmung vermitteln, stehen 100 Jahre später bei Wieland Schönfelder Trauer und Melancholie im Zentrum seiner Präsentation. Nicht der Sieg über die Sonne, sondern ihr Verlust ist das zentrale Motiv in seiner Bearbeitung.
Die Delmenhorster Ausstellung ist für Schönfelder die dritte in einer Reihe von Projekten zum Thema Theater. Der 1985 in Berlin geborene Künstler spielte bereits als Kind und Jugendlicher Theater. Später studierte er in Wien Schauspiel und arbeitete für diverse Film- und Theaterproduktionen.
Von 2012 bis 2018 absolvierte Schönfelder an der Universität der Künste in Berlin ein Studium. Darüber hinaus verbrachte er ein Auslandsjahr am renommierten Schools of Arts Institute in Chicago, wo er sich mit den performativen Videoinstallationen von Paul McCarthy beschäftigte.
„Nicht zuletzt durch seine Ausbildung gelingen Wieland Schönfelder Inszenierungen, die dramaturgisch alle Register ziehen und im Ausstellungsraum neu und überraschend auftreten“, schwärmt die Delmenhorster Galerieleiterin.
Im Haus Coburg nimmt Schönfelder die Rolle eines fiktiven Theaterregisseurs ein. Mit Hilfe eines 3D-Druckers fertigte er kleine Skulpturen an, die er wie Schauspieler in Position bringt. Einige der Figurengruppen positionierte er auf großen Sockelbühnen aus Metall, wodurch der Eindruck einer Theaterszene noch verstärkt wird. Zudem bekommt man als Betrachter dadurch die Möglichkeit, die Darstellung von allen Seiten auf sich wirken zu lassen.
Ein schöner Einfall sind die Vorhangstoffe, die als Wandverkleidung und Raumteiler dienen. Dadurch wirkt das Haus Coburg noch mehr wie ein Theater, das man als stiller Beobachter durchwandert. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die Musik, die in allen Räumen zu hören ist – deren Bedeutung sich aber erst zum Schluss des Streifzuges fulminant offenbart. Im Theatersaal würde es dafür Standing Ovations geben.
Die Ausstellung „Was ist verloren?“ läuft bis zum 26. Februar 2023 in der Städtischen Galerie Delmenhorst, Fischstraße 30. Es wird auch einen Katalog zur Schau geben.