Innensenator Ulrich Mäurer (l.) und Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung, wollen gemeinsam gegen Sportwettenwerbung vorgehen. Foto: Schlie Innensenator Ulrich Mäurer (l.) und Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung, wollen gemeinsam gegen Sportwettenwerbung vorgehen. Foto: Schlie
Sportwetten

Kampf gegen mächtige Gegner

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Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) möchte weiter gegen Werbung für Sportwetten vorgehen.

Es war die erste Zusammenkunft dieser Art und sie soll wiederholt werden: Bremens Innensenator Ulrich Mäurer traf sich am Donnerstag mit dem Sucht- und Drogenbeauftragten des Bundesregierung, Burkhard Blienert, und mit Glücksspielforscher Tobias Hayer von der Universität Bremen.

Ihr gemeinsames Ziel: Werbung für Sportwetten soll verboten werden, der Schutz vor den persönlichen und gesellschaftlichen Folgen von Sportwetten soll weiter voran getrieben werden.

Forderung bisher ungehört

Die Forderung stellte Mäurer bereits vor anderthalb Jahren und löste so eine bundesweite Debatte aus. Bisher ohne Erfolg: „Das Problembewusstsein wird bundesweit noch nicht geteilt. International ist man da schon deutlich weiter“, sagt Mäurer. So verbietet etwa in den Niederlanden seit Jahresbeginn ein neues Gesetz Anbietern von Online-Sportwetten und anderen risikovollen Glücksspielen die „ungezielte“ Werbung im öffentlichen Raum, also auch im TV, Radio und auf Plakaten.

Die niederländische Regierung will ab 2024 auch Programm- und Eventsponsoring für Wettanbieter verbieten. Zudem soll ab 2025 Werbung für Sportwetten und Lotterien nicht mehr auf Spielertrikots erscheinen dürfen.

Werbung verharmlost Sportwetten

„Die massive Flut an Werbung für Glücksspiele im Allgemeinen und Sportwetten im Speziellen ist aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht deutlich zu kritisieren. Produkte mit hohen Suchtgefahren werden auf der einen Seite normalisiert, auf der anderen Seite rücken die damit verbundenen Risiken und Gefahren in den Hintergrund“, sagt Glücksspielforscher Hayer.

Der Anteil der Personen mit Sportwettbezug unter den Spielsüchtigen steige stetig weiter an. „Das hängt mit Werbung und Angebot zusammen“, erklärt der Wissenschaftler.

Dr. Tobias Hayer Foto: Schlie

Dr. Tobias Hayer Foto: Schlie

Denn die Werbung an Banden in Sportstätten und Stadien, im Fernsehen und online verharmlose die Sportwette. Durch ihre Verfügbarkeit rund um die Uhr und die hohe Geschwindigkeit, mit der gespielt werde, sei die Sportwette zudem gefährlicher als andere Glücksspiele, wie der Forscher erklärt.

Zudem vermittele die Werbung den Eindruck, dass Sportwetten und Sport zusammen gehören, erläuterte Mäurer das Problem. In der Werbung seien vornehmlich junge, sportliche und dynamische Menschen zu sehen.

Auch Familien sind direkt betroffen

In Bremen sind laut Hayer mehr als 10.000 Menschen glücksspielsüchtig, weitere 26.000 Menschen stünden auf der Kippe. „Es ist keine Randerscheinung“, so Hayer. Zu jeder spielsüchtigen Person ließen sich zwei bis zehn weitere Personen zählen, die im familiären oder weiteren sozialen Umfeld ebenfalls direkt von der Spielsucht einer Person betroffen seien.

Der typische Spieler sei männlich, jung und habe häufig einen Migrationshintergrund, wie Hayer sagt.

„Die Folgen einer Spielsucht können Insolvenzen, Beschaffungsdelikte bis hin zu Suiziden sein“, sagt Hayer. Jeder dritte Spielsüchtige sei im Bereich der Sportwetten anzutreffen. Glücksspielsucht lasse sich, anders als Drogen- oder Alkoholsucht, zudem lange verheimlichen. „Als erstes leiden die Sparschweine der Kinder“, ist sich der Forscher sicher.

Die Verfügbarkeit von Sportwetten müsse beschränkt werden.

Weitere Verbündete finden

„Spiel und Sport gehört nicht zusammen“, sagt Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung. Er ist seit einem Jahr im Amt, hat schon früh Mäurer als Ansprechpartner auf Ebene der Länder gesehen, wenn es um Prävention im Bereich Glücksspielsucht gehe, so Blienert. Nun sei es wichtig, weitere Verbündete auf Bundesebene zu finden. „Kinder und Jugendliche dürfen nicht mit dieser Werbung in Berührung kommen“, ist sich Blienert sicher.

„Kaum eine andere Sucht treibt so viele Menschen in den Suizid wie die Glücksspielabhängigkeit. Hinzu kommt, dass die Werbung heute wirklich immer und überall zu sehen ist: auf Trikots, vor der Sportschau, im Internet. Sie verführt gerade junge oder spielaffine Menschen zum ‚Zocken'“, so Blienert.

Bisher keine Erfolge

Appelle an die Sportvereine und -verbände und die Politik verhallten bisher ungehört. „Der Glücksspielstaatsvertrag ist ein Jahr alt. Wir kritisieren, dass bisher nicht einmal die Mindeststandards eingehalten werden“, sagt Mäurer.

Auf der Herbstkonferenz der Innenministerinnen und -minister 2021 signalisierte die Mehrheit der Länder, bis zu einer Evaluierung des Glücksspielstaatsvetrags keine Änderungen an den Werberegeln vornehmen zu wollen. Die Evaluierung ist für 2026 geplant.

„Die Zeit haben wir nicht“, sagt Mäurer. „Wir sprechen nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen inzwischen von bundesweit 1,3 Millionen Menschen mit einem krankhaften Glücksspielverhalten. Weitere 3,25 Millionen stehen auf der Kippe.“

Veranstaltung in Bremen geplant

Insbesondere Suchtverbände stimmen der Forderung Mäurers nach einem Werbeverbot für Sportwetten zu. Anfang 2022 positionierte sich das Fanbündnis „Unsere Kurve e.V.“ mit Regulierungsforderungen sowie Selbstverpflichtungsforderungen an die Vereine und Verbände. Das seit August 2022 bestehende Bündnis gegen Sportwettenwerbung ist noch breiter aufgestellt. Die Schirmherrschaft hatte kürzlich Burkhard Blienert übernommen.

Um weitere Netzwerke aufbauen zu können und das Zeil des Werbeverbots weiter voran treiben zu können, plant Mäurer für das dritte oder vierte Quartal des Jahres eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Suchtbeauftragten der Bundesregierung sowie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Spielsüchtigen in Bremen.

„Wir müssen einen Schulterschluss auf Bundeseben erreichen. Wir sind aber noch ganz am Anfang“, sagt der Innensenator.

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