Bis zu 2.000 Grad Celsius heiß ist die Flamme, vor der Roswitha Krebs-Goldbecker sitzt. Sie hält ein dünnes Glasrohr in das blendend helle Licht des Brenners, zieht es an den Enden wie Kaugummi auseinander und dreht das Rohr immer wieder. „Glasblasen heißt nicht, dass man ständig irgendwo hinein pustet“, sagt Roswitha Krebs-Goldbecker und räumt direkt mit falschen Vorstellungen auf.
„Das A und O ist das gleichmäßige Drehen.“ Die 59-Jährige arbeitet seit 32 Jahren in der Glastechnischen Werkstatt der Universität Bremen – und ist eine Exotin: Roswitha Krebs-Goldbecker ist die einzige noch tätige Glasapparatebauerin in der Hansestadt.
Glasbläserin fürs Komplizierte
In ihrer Werkstatt im Gebäude NW 2 stellt sie Sonderanfertigungen für Versuchsaufbauten her, die Chemiker, Physiker und andere Wissenschaftler für ihre Arbeiten benötigen. „Hohlgefäße, wie Erlenmeyerkolben oder Bechergläser werden maschinell gefertigt und geliefert. Alles, was komplizierter ist, mache ich“, sagt Krebs-Goldbecker.
Jeden Tag kommen neue Aufträge rein. Meist bringen die Wissenschaftler Zeichnungen mit. Manchmal stehen Reparaturen von Apparaturen an, ein anderes Mal eine komplizierte Vakuumlinie. Darunter versteht man eine Apparatur, die aus mehreren Leitungen sowie Anschlüssen und Hähnen für Gefäße besteht. An größeren Aufträgen sitzt sie mehrere Tage.
Quarzglas bei Temperaturen über 1.000 Grad
Der erste Gang führt sie ins Materiallager. Dort liegen hunderte, 1,50 Meter lange Glasrohre. Einige sind wenige Millimeter, andere mehrere Zentimeter breit. In der Regel wird mit Borosilikatglas gearbeitet. „Es ist laugen- und säurebeständig und damit gut geeignet für die Wissenschaft“, sagt Krebs-Goldbecker. Nur, wenn die Forscher mit besonderes hohen Temperaturen über 1.000 Grad Celsius arbeiten, greift Krebs-Goldbecker auf Quarzglas zurück.
Die Rohre werden erhitzt und je nach Auftrag durch Drehen, Schleudern, Blasen und Verschmelzen in Form und Größe gebracht. Muss das Glas noch kalt bearbeitet werden, schneidet, schleift und bohrt die Glasapparatebauerin das Material unter feinen Wasserstrahlen.
Leichte Schnittwunden kommen schon mal vor
Beim Arbeiten am Brenner trägt Krebs-Goldbecker eine spezielle Brille. Sie filtert die Natriumstrahlung heraus, sodass die Glasbläserin das flüssige, verformte Glas in der Flamme sehen kann. Ohne diese Brille würde sie ausschließlich die orangefarbene Flamme sehen. Weitere Schutzkleidung benötigt die Glasbläserin nicht.
Handschuhe zum Beispiel würden die Fingerfertigkeit und das Gefühl für das zerbrechliche Material stören. „Leichte Schnittwunden und Verbrennungen kommen schon mal vor“, erzählt Krebs-Goldbecker, die 1994 noch ihren Meister absolviert hat. Einen schweren Unfall hatte sie kurz nach der Ausbildung an der Uni Bochum, danach zum Glück nie wieder.
Ist das Gefäß oder die Apparatur fertig gestellt, kommt es über Nacht in einen Ofen, der sich auf bis zu 560 Grad Celsius aufheizt. „Die Temperatur wird lange gehalten. So gehen die Spannungen aus dem Material“, erklärt Krebs-Goldbecker. Danach ist der Auftrag abgeschlossen und die Apparatur für die Wissenschaft freigegeben.