Der Wandel der Kraftfahrzeugmärkte und damit auch die Transformation der Betriebe des Kfz-Gewerbes in Niedersachsen und Bremen ist in vollem Gange. „Werkstätten müssen erheblich investieren, um ihren Betrieb elektrofähig zu machen“, sagt Hans Jörg Koßmann, Obermeister der Bremer Kfz-Innung. Für fabrikatsgebundene Betriebe entstehe je nach Hersteller ein Investitionsbedarf zwischen 50.000 und 100.000 Euro.
Schulungsbedarf trotz voller Werkstätten
Auch zeitlich ist die Umstellung eine Herausforderung. Denn während in den Werkstätten Autos mit Verbrenner-Motor den Hauptteil der Arbeit ausmachen und die Betriebe mit durchschnittlich 90 Prozent gut ausgelastet sind, müssen die Mitarbeiter parallel bereits für die verschiedenen Typen von Elektrofahrzeugen geschult werden. “ Sie müssen den Umgang mit neuen Werkzeugen erlernen und neue Sicherheitsanforderungen beachten“, erklärt Koßmann.
Da trifft es sich gut, dass die Branche im vergangenen Jahr etwas Speck ansetzen konnte. Obwohl die Verkaufszahlen insgesamt rückläufig waren, konnten das Kfz-Gewerbe seinen Umsatz in Bremen und Bremerhaven auf knapp 1,8 Milliarden Euro steigern. Davon entfielen 92,6 Millionen Euro auf den Lkw-Sektor, 222 Millionen Euro auf den Servicebereich, 777,1 Millionen Euro auf den Gebrauchtwagenverkauf und 675,3 Millionen Euro auf den Neuwagenverkauf.
Hersteller konkurrieren mit Handel
Nur 471,8 Millionen Euro des Umsatzes aus dem Neuwagengeschäft können sich die Händler gutschreiben. Etwas mehr als 200 Millionen Euro gingen aufgrund von Direktverkäufen auf das Konto der Hersteller. „Wir müssen vielfach Abschied nehmen vom klassischen stationären Handel mit selbstständigen Unternehmern. Hersteller bauen den Direktvertrieb um und treten in Wettbewerb mit dem Handel. Die Tendenz zur Konzentration hat bereits begonnen“, sagt Karl-Heinz Bley, Präsident des Landesverbandes Kfz-Gewerbe Niedersachsen-Bremen.
Dass die Kfz-Händler trotz rückläufiger Mengen einen höheren Umsatz verzeichneten, lag in erster Linie an deutlich gestiegenen Preisen sowohl für neue als auch für gebrauchte Pkw. So stieg der Durchschnittspreis für Neuwagen auf 43.110 Euro (2021: 37.840) und für Gebrauchtwagen auf 19.130 Euro (15.810). Das führt zu einer Kaufzurückhaltung insbesondere bei privaten Kunden. So sank der Anteil der Privaten bei den Neuwagen von 45 auf 42 Prozent.
Preisgrenzen erreicht
„Zukünftiger Autokauf und zukünftige Autonutzung sind an Preisgrenzen gekommen“, meint Koßmann. „Ich will nicht von einer Kauf-Unlust sprechen, aber wir sehen das private Kaufinteresse als ein Sorgenkind an.“ Mit der Umstellung auf Elektro-Fahrzeuge könnte sich diese Entwicklung weiter verschärfen, befürchtet Koßmann. Grund: Insbesondere die deutschen Hersteller hätten sich aus den unteren Segmenten verabschiedet und würden nur auf hochpreisige Fahrzeuge setzen.
Bei der Ausbildungsbilanz des Jahres 2022 verzeichnete das Kfz-Gewerbe in Bremen und Bremerhaven ein leichtes Plus im kaufmännischen Bereich (45 neue Ausbildungsverhältnisse statt 42 in 2021), gleichzeitig aber ein kleines Minus im gewerblichen Bereich, wo 198 neuen Ausbildungsverhältnissen für Kraftfahrzeugmechatroniker und Kraftfahrzeugmechatronikerinnen 204 neue Verträge aus 2021 gegenüber stehen.
Deutliche Kritik übte Koßmann an der geplanten Ausbildungsplatzabgabe. „Das ist dummes Zeug, um von den wahren Problemen abzulenken. Wir können es in 48 Monaten Fachkräfteausbildung nicht ausgleichen, was in 120 Monaten in der Schule an Grundlagen nicht gelegt wurde“, rechnet er vor. Schulabgänger einzustellen, die mit ihrem Reifegrad nicht mal der Bremer Schul-Wirklichkeit genügten, geschehe heute vielfach in der Hoffnung, dass sie den gestiegenen Anforderungen der Bord-Elektronik, der Mechatronik oder den Multimedia-Einrichtungen moderner Fahrzeuge dennoch gewachsen seien.