Das Foto zeigt Marie Fitger in jüngeren Jahren. Bildrechte: Privatarchiv Dr. Cornelia Fitger, Essen
Osterbrauch

Wettkampf ums Osterfeuer

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Marie Fitger (1843 - 1929) schrieb 1915 über einen Delmenhorster Osterbrauch

Marie Fitger wurde 1843 im Posthaus in Delmenhorst geboren. Ihr Bruder war der berühmte Maler und Dichter Arthur Fitger. 1915 schrieb sie für ihre Familie ihre Erinnerungen an ihr Vaterhaus und Delmenhorst auf. 1929 wurden ihre Erinnerungen im Delmenhorster Heimatjahrbuch veröffentlicht. Marie Fitgers „Erinnerungen aus Vaterhaus und Vaterstadt und dem Posthaus in Delmenhorst“ sind Thema der 20. Delmenhorster Schriften. Dort schreibt sie auch über einen alten Delmenhorster Osterbrauch.

Auszug aus den Erinnerungen

„Der friedliche Geist unserer kindlichen Welt wurde einmal im Jahre kriegerisch, nämlich um Ostern. Dann spaltete sich die kleine Schar nicht in arm und reich, vörnehm und gemeen, sondern in die Parteien „Galgenstänners“ und „Gunnenänners“. Am Markt, an der Zollbrücke, war die Grenzscheide der Straßen vom Bremer Tor zum Oldenburger Tor. Jede Partei war eifrig bemüht, ihre Hälfte des Osterfeuers möglichst groß und strahlend abzubrennen. Der alte Bruder-Ehrgeiz Kain und Abel’s lebte auf. Die Parteien richteten neben einander jede einen hohen Balken auf. Irgendwo auf freiem Felde hinter der Moorstraße häufte man Holz, Tannenreisig und Buschwerk ringsum.

Gewöhnlich liehen beide Parteien von Vater einen Leiterwagen. Die Jungenschar spannte sich vor und mit „Hurrah hurrah hurrahlaralalerera“ rasselten sie los, um von den Bauern der Umgegend Busch zu holen. Gab’s nichts im Guten, dann wurde marodiert. Zäune und Rickels verschwanden von den Feldern, Gestrüpp wurde gekappt, die Jungen mausten, die Bauern schalten, aber mit vollem Wagen triumphierten sie heimwärts: „Vivat vivat Osterfüer, de olen Teertunnen sind so dür, willt se uns enen Groten geben, schällt se de Freude ok miterleben“.

Mit diesem Singsang wurde von Haus zu Haus gebettelt, und wenn einige Thaler beisammen waren, wurden von Bremen leere Teertonnen geholt und wie eine Reihe Satanseier übereinander auf die Pfähle gestülpt, fertig zum Anzünden. Damit dies nicht von nebenbuhlerischer Hand zu früh geschähe, hielten die Jungens beider Parteien Nachtwache.

Traditionen am Ostermontag

Am Ostermorgen marschierten die „Osterjungens“ mit Trommeln und Pfeifen die Straßen entlang, voran der Tamburmajor, der geschickt den Stab in die Luft warf und wieder fing, dann die Sappeurs mit geschulterten Spaten, die Kürassiere mit blankem Harnisch und Bärenmützen. Woher diese Sachen alle kamen, und wo sie hin verschwunden sind, ist mir unbekannt geblieben. Ein verkleideter Junge als Marketenderin (von einem weiß ich, dass seine Mutter sich zwei prachtvolle Haarflechten abgeschnitten hatte, um ihn als richtige Marketenderin auszustatten). Auf der Zollbrücke war der Kampf. Die Brücke wurde von den „Galgenstänners“ besetzt und von den „Gunnenänners“ gestürmt. So ging es stundenlang mit wechselndem Kriegsglück. Zog aber die Dämmerung herauf, dann begann das Hauptfest, das Feuer.

Wer von den Einwohnern irgend konnte, pilgerte hinaus. Die Alten in Jugenderinnerungen, die Jungen in festlichem Feuereifer. Mit brennenden Strohbündeln an Bohnenstangen jagten sie umher und wollten sie sich gegenseitig entreißen, nebenher auch die Gesichter anschwärzen. War es inzwischen dunkel geworden, flogen die brennenden Strohwische, „Strohwieg“ genannt, in den Reisighaufen. Qualm und Rauch erhub sich, wälzte sich vor dem Winde, bis die Flammen in die Teertonnen leckten. Dann – unter allgemeinem Zuruf – fuhr das Feuer wie die Hexen aus dem Schornstein! Rauchend, knackend, ungebändigt, heulend die Freiheit suchend. Es war schaurig schön, wenn in den schwarzen Rauchwolken Miriaden Funken sprühten, bis dann aufleuchtend und triumphierend die reine Lohe gen Himmel schlug.
Als ich konfirmiert war, dachte ich dabei an das Gebet der Druiden: „Die Flamme reinigt sich vom Rauch, so reinige unsern Glauben, und raubt man uns den alten Brauch, dein Licht, wer kann es rauben“.

Aber als kleines Schulmädchen musste man Acht geben, nicht von schwarzen Händen eingerieben zu werden und nicht in einen der nahen Wassergräben zu laufen, sondern reinlich zum Ostereierabendessen nach Hause zu kommen. Mein Kindergesicht wurde auch mal von vergnügten Jungens eingerieben. Ostereier gab es für alle Hausgenossen reichlich. Die Postillons kriegten jeder ein Dutzend harte, die Mädchen und die beiden Postgehülfen je sechs weiche Eier.“

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