Am 30. Juni eröffnet im Haus Coburg die Gruppenausstellung „Kindheit(en). Von Erinnerungen in der Kunst“, die Aneta Palenga gemeinsam mit der Künstlerin und Wissenschaftlerin Moshtari Hilal vorbereitet hat. In der Artothek war Moshtari Hilal bereits zu Gast und hat eine Zeichnung für den Leihbetrieb übergeben.
Diese Zeichnung „Cowgirl“ aus dem Jahre 2019 von Moshtari Hilal zeigt ein Mädchen beim Spielen. Hochkonzentriert reitet das Kind auf einer Spielzeugkuh. Nicht nur ihr Gesichtsausdruck verrät ihr Engagement, durch einen Schriftzug auf ihrem T-Shirt wird sie eindeutig charakterisiert. Cool ist da in vielfacher Wiederholung zu lesen.
Was einem beim Betrachten ein Lächeln ins Gesicht zaubert, ist für die Künstlerin zugleich eine vielschichtige Reflexion von den gesellschaftlichen Bedingungen, in denen Kinder aufwachsen. Denn offenbar probt dieses Mädchen als „Cowgirl“ spielerisch ein Rollenbild, dass ihr nicht selbstverständlich angeboten wird.
Moshtari Hilal wurde 1993 in Kabul geboren. Sie studierte Islam- und Politikwissenschaft mit einem Schwerpunkt in Gender- und Dekolonialen Studien in Hamburg, Berlin und London. Sie ist in den sozialen Medien sehr aktiv, verfasst Kolumnen, in denen sie die politische Situation in Afghanistan regelmäßig kommentiert und ebenso ausgrenzende Strukturen in der deutschen Schul- und Arbeitswelt beim Namen nennt.
Kindheit und Jugend als zentrale Themen in der Kunst
Als Künstlerin ist Moshtari Hilal Autodidaktin. Ihre Kindheit und Jugend, die sie nach der Emigration aus Afghanistan in einer fremdenden Kultur verlebt, sind ein zentrales Thema in ihren Zeichnungen. Dabei nutzt sie Erinnerungsbilder und Fotografien, familiäre Erzählungen und Videos, um eine Kindheit sichtbar zu machen, die etwas anders aussieht als gewohnt.
Auf den Zeichnungen sind Möbel oder Textilien zu sehen, Gesichter und Körperteile werden prominent in Szene gesetzt, die sich von normativen Schönheitsidealen unterscheiden. Die Körperbehaarung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Die schwarzen Linien werden zu Haaren, zu Schrift oder zum Ornament. Auf den teilweise wandhohen Bildern sind Berührung und familiäre Nähe fast haptisch nachvollziehbar.
Kunst und Politik
Dass Moshtari Hilal in ihrer Kunst motivisch aus einem privaten Fundus schöpft, überträgt sich auch auf ihre politische Arbeit. Sie ist Mitbegründerin des transnationalen Kollektivs Afghan Visual Arts and History (AVAH) und des kuratorischen Forschungsprojekts Curating Through Conflict with Care (CCC). Durch diese kollektiven Netzwerke werden Kulturschaffende miteinander verbunden, die auf der ganzen Welt verstreut arbeiten.
Für die kommende Ausstellung am Haus Coburg wurden Künstlerinnen eingeladen, ihre Versionen von Kindheiten zu zeigen. Gemeinsamen haben sie, dass sie Afghanistan verlassen mussten und in der Diaspora arbeiten und überwiegend auch aufgewachsen sind. „Dass die Kuratorin Aneta Palenga, der Künstlerin freie Hand bei der Wahl der Kunstwerke gelassen hat, ist ebenfalls ein Politikum“, sagt Dr. Matilda Felix, Leiterin der Städtischen Galerie Haus Coburg. Denn die Zusammenstellung einer Ausstellung folge immer auch einem kunsthistorischen Kanon und spiegele etablierte und dominante Positionen im westlichen Kunstbetrieb wieder. „Wenn man die zirkulierenden Bilderwelten um fremde Erfahrungen und Geschichten erweitern möchte, muss man die institutionalisierten Wege auch einmal verlassen“, sagt Felix.
Ausleihe für Kunst
Die Artothek, Lange Straße 47, ist mittwochs und sonnabends von 11 bis 17 Uhr sowie donnerstags und freitags von 17 bis 20 Uhr geöffnet. Weitere Infos unter hauscoburg.de
Für einen Jahresbeitrag von 20 Euro (ermäßigt 12 Euro) können im Jahresverlauf bis zu vier Werke entliehen werden. Weitere Infos: Artothek Ausleihe
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