In der Ausstellung geraten Einrichtungsgegenstände und Textilien in den Fokus, die eine gemeinsame Erinnerungskultur bilden. Zugleich thematisiert die Ausstellung das Aufwachsen in einer fremden Kultur. Fotos: Konczak
Haus Coburg

Afghanische Künstlerinnen verarbeiten Erinnerungen

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In der Ausstellung „Kindheit(en). Von Erinnerungen in der Kunst“ ist Mitmachen ausdrücklich gewünscht

Unter dem Titel „Kindheit(en). Von Erinnerungen in der Kunst“ stehen die Themen Familie und Kindheit im Mittelpunkt einer Ausstellung, die am vergangenen Freitag in der Städtischen Galerie Delmenhorst, Fischstraße 30, eröffnet wurde. Kuratiert haben die Gruppenausstellung Aneta Palenga und Moshtari Hilal.

Moshtari Hilal und Aneta Palenga kuratierten die Ausstellung gemeinsam. Moshtari Hilal ist darüber hinaus eine der vertretenen Künstlerinnen. Foto: tk

Als Mitbegründerin des unabhängigen Kollektivs „Afghan Visual Arts and History“ (AVAH), das afghanische Kulturschaffende weltweit vernetzt, hat Moshtari Hilal sieben Frauen eingeladen, sich an der Ausstellung zu beteiligen.

Gruppenausstellung mit acht Künstlerinnen

Im Haus Coburg präsentieren die Künstlerinnen Moshtari Hilal, Tamina Amadyar, Jeanno Gaussi und Farila Neshat, die Filmemacherinnen Parwana Haydar, Shahrbanoo Sadat und Zamarin Wahdat sowie die Designerin und Textilkünstlerin Zuhra Hilal ihre Werke bis zum 10. September.

Die Frauen leben in Berlin, Hamburg, London und Wien, wuchsen in Deutschland, Österreich, Dänemark, im Iran und in Afghanistan auf und haben alle gemeinsame Wurzeln. Sie und/oder ihre Eltern mussten aus Afghanistan fliehen. In der Schau werfen die Künstlerinnen einen jeweils individuellen Blick auf ihre Kindheit. Sie fragten sich, wie sich Kindheitserinnerungen auf Bildsprachen in der Kunst auswirken, welche Gegenstände, Stoffe, Farben oder Gesten kindlicher Erfahrungen die Motive formen und wo die erinnerten Bilder zu einem kollektiven Gedächtnis werden.

Künstlerische Bearbeitung von Fotos und Videoaufnahmen sowie Textilien und Alltagsgegenstände

Durch die künstlerische Bearbeitung von Fotos und Videoaufnahmen sowie Textilien und Alltagsgegenstände, aber auch durch die Verarbeitung von Eindrücken die in Tagebüchern festgehalten wurden oder aus Familienerzählungen überliefert sind, reflektieren die Kunstwerke auch Verlusterfahrungen, den sozialen Neubeginn, afghanische Traditionen und das Aufwachsen in der Diaspora.

Die „Seelenhäuser“ von Farila Neshalt – drei aus rohem Beton gegossene Quader – berichten von der Fluchtgeschichte der Familie. Die ganze Tiefe des dreiteiligen Kunstwerkes erschließt sich jedoch nur jenen Betrachtern, die Farsi lesen können.

Die „Family Stories“ der Multimedia-Künstlerin Jeanno Gaussi basieren auf einer Begegnung mit dem Werbemaler Ustad Sharif Amin im Jahr 2008 in Kabul. Gaussi hatte ihm ein Konvolut an Familienfotos übergeben, die er in Malerei umsetzte. Zu der Arbeit gehören zehn dieser Portraits, Soundtracks der Gespräche zwischen Gaussi und Amin sowie ein Filmausschnitt, der den Maler bei der Arbeit zeigt.

Essay-Film entstand in und um Delmenhorst

Die Künstlerin Parwana Haydar war im Frühjahr Stipendiatin am Hanse-Wissenschaftskolleg. Während ihres zweimonatigen Aufenthalts realisierte sie gemeinsam mit der Kamerafrau Zamarin Wahdat den Essay-Film „The myth of the present“. Er basiert auf einem selbst geschriebenen Gedichts zur Mutter-Tochter-Beziehung in der Migrationsrealität. Das Nachbarschaftszentrum Hasport stellte den Kontakt zur afghanischen Community in Delmenhorst her. Zusammen mit Laiendarstellerinnen wurde im Stadtgebiet sowie in der Umgebung gedreht.

Im Wintergarten können die Besucherinnen und Besucher selber Teil der Ausstellung werden. Der Raum wurde mit farbenfrohen Teppichen ausgelegt. Auf einem Tisch befinden sich Spiele, Bücher und weitere Materialien, mit denen man sich beschäftigen kann. Per Sofortausdruck lassen sich Fotografien, Gegenstände oder Texte aus dem Internet einer kollektiven, analogen Sammlung von Kindheitserinnerungen hinzufügen.

Die Ausstellung wurde unterstützt von der Stiftung Niedersachsen, dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie Leben“. Alle Informationen zum Veranstaltungsprogramm findet man unter hauscoburg.de.

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