Blick auf die Wiekhorner Wiesen. Obwohl der Bereich häufiger unter Wasser steht, spricht der Moorforscher Hans Joosten von einem trockenen Moor, das es zu vernässen gilt.Foto: Konczak
Graft

Moor oder kein Moor? Das ist hier die Frage

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Wiekhorner Wiesen heizen die Gemüter der Delmenhorster an

Der Naturschutzbund (Nabu) in Delmenhorst hat zur aktuellen Diskussion um den Bau eines neuen Wasserwerks an den Graften eine klare Position. „Wir lehnen es ab. Ein Wasserwerk ist nicht bedarfsgerecht und darüber hinaus aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse nicht zielführend für die Lösung der Vernässungsproblematik“, betont die Nabu-Vorsitzende, Bettina Janßen. Zu dieser Erkenntnis kamen die Naturschützer bereits im Sommer 2020. Umso erfreuter seien sie deshalb über die neuen umwelt- und klimapolitischen Rahmengesetzgebungen der Bundesregierung.

Nationale Moorschutzstrategie

So fordert die Nationale Wasserstrategie einschließlich dem Aktionsprogramm Wasser den Schutz, die Wiederherstellung und die dauerhafte Sicherung des naturnahen Wasserhaushalts und eine bessere Speicherung des Wassers in der Landschaft. Ein zentrales Anliegen der Nationalen Moorschutzstrategie ist darüber hinaus die Wiederherstellung von Moorflächen.

Beim Nabu ist man davon überzeugt, dass die Stadt Delmenhorst einen beachtlichen Beitrag zur Umsetzung dieser beiden nationalen Strategien leisten kann, indem die Planung und der Bau eines neuen Wasserwerks aufgegeben wird, das Niederschlagswasser, insbesondere bei Starkregenereignissen, durch die Entwicklung eines nachhaltigen Wasserregimes zum Schutz des wertvollen Baumbestandes in der Graft abgeleitet und die Moorflächen in den Wiekhorner Wiesen wiederhergestellt werden. Mit einem solchen Vorgehen könne Delmenhorst bundesweite Beachtung erlangen und zugleich auch bedeutende Fördermittel einwerben.

60 Hektar Niedermoor

Im Raum steht bei der aktuellen politischen Diskussion die Frage, ob es sich bei dem Gebiet um Moorflächen handelt oder nicht. Der Nabu verweist in dem Zusammenhang auf eine Kartierung aus dem Jahre 1938. Diese ergaben für das Gebiet zwischen der Graft im Norden und der heutigen Autobahn 28 im Süden Moormächtigkeiten zwischen 40 und 80 Zentimetern. Die Ergebnisse dieser Kartierungen inklusive den Bohrprotokollen sind beim Niedersächsischen Landesamt für Bergbau und Energie (LBEG) einsehbar. Aus Sicht des Nabu sprechen die dort präsentierten Ergebnisse eine eindeutige Sprache: im genannten Bereich befinden sich, amtlich und rechtsverbindlich festgestellt, mindestens 60 Hektar Niedermoor. Eine Trinkwasserförderung in dem Gebiet würde nach Schätzungen des Moorforschers Hans Joosten an der Vernässung des Gebietes mit Oberflächenwasser auch nichts ändern.

Ein weiterer Hinweis ist dabei der Geschäftsbericht der Stadtwerke für die Geschäftsjahre 1958 und 1959. Damals lag die Förderung des Graftwasserwerks bei 2,2 beziehungsweise 2,6 Millionen Kubikmeter im Jahr. Trotz der Förderung war die Graft derart versumpft, dass im Rahmen der Entschlammung der Außengraft 1958 ein Teilbereich aufgeschüttet werden musste, da dieser als „Liegewiese“ selbst im Sommer völlig unbrauchbar war.

Kohlendioxid einsparen

In der jüngsten Sitzung des gemeinsam tagenden Planungs- mit dem Umweltausschuss erhofften sich die anwesende Politik, aber auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger Erkenntnisgewinn von dem Moorforscher Hans Joosten. Er hatte im Auftrag der Stadtwerke eine Vorstufe zur denkbaren Wiedervernässung der Wiekhorner Wiesen erstellt. „Ich finde es ist eine blöde Sache, wenn man Wasser abpumpt und es einfach weglaufen lässt“, sagte er. Würde Delmenhorst die Wiesen stattdessen vernässen, könnten damit jährlich rund 200 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Aus Sicht des Moorexperten, der bis 2021 an der Universität Greifswald gelehrt habe, würde dieser Schritt auch gut zu Delmenhorst als Klimamusterstatt passen. „Zusätzlich könnte das Gebiet energetisch genutzt werden. Das Landschaftsbild wird sich durch den Schritt kaum ändern“, so Joosten.

„Die Wiekhorner Wiesen sind Moorgebiet, und wenn sie trocken liegen, geben sie Treibhausgase an die Umgebung ab. Im feuchten Zustand hingegen binden sie diese“, erklärte Joosten. Ein weiterer positiver Effekt für die naheliegende Innenstadt sei die Verdunstungskälte, die über den wieder vernässten Wiekhorner Wiesen entstehen würde.

Auf dem Prüfstand steht der Ratsbeschluss aus dem Jahr 2015 zum Abpumpen des Graft-Oberflächenwassers. Im Raum steht darüber hinaus die Frage, ob eine Trinkwasserförderung dort überhaupt Sinn macht. „Es ist bedauerlich, dass der Geschäftsführer der Stadtwerke, Hans-Ulrich Salmen, anscheinend nach Möglichkeiten sucht, die Umsetzung des Ratsbeschlusses zu verhindern“, sagt Kristof Ogonovski, Vorsitzender der CDU Stadtratsfraktion. „Als Geschäftsführer der Stadtwerke ist es seine Aufgabe die Bürgerinnen und Bürger der Stadt kostengünstig mit Gas, Wasser und Strom zu versorgen und nicht Gutachten in Auftrag zu geben, wie vermeintliche Moore renaturiert werden können“, so Ogonovski weiter.

Diplom-Ing. Volker Wohnig, der sich bereits lange mit der Entwicklung der Graft beschäftigt, bezeichnet es als fahrlässig, wenn neue  Erkenntnisse nichts an gefassten Beschlüssen ändern würden. „Der Rat der Stadt Delmenhorst hat fraktionsübergreifend anerkannt, dass die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen auch für Delmenhorst die höchste Priorität besitzt und bei künftigen Entscheidungsfindungen grundsätzlich Beachtung finden muss. Worten müssen Taten folgen“, teilt Wohnig per Pressemitteilung mit.

Moore sind wichtige Kohlendioxid-Speicher. Intakte Moore speichern insgesamt doppelt so viel Kohlenstoffdioxid wie alle Wälder der
Erde. Sie sind unerlässlich für den Klimaschutz. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ökosystemen, die nur eine bestimmte Menge an Kohlenstoff speichern, entnehmen wachsende Moore kontinuierlich Kohlenstoff aus der Atmosphäre und fixieren es dauerhaft. Wird jedoch der Wasserspiegel gesenkt, dringt Sauerstoff an den Torf, und durch Oxidation werden CO2 sowie die klimaschädliche Stickstoffverbindung Lachgas freigesetzt.

Trinkwassergewinnung muss gesichert sein

Stadtbaurätin Bianca Urban betonte in der Sitzung am Dienstag, „dass unabhängig vom Umweltschutz die Versorgung der Bürgerinnen und Wasser mit Trinkwasser für lange Zeit gesichert sein muss.“ Aktuell gibt es nur das Wasserwerk in Annenheide, darüber hinaus kauft die SWD Trinkwasser vom Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband (OOWV) hinzu. Der Vertrag läuft 2029 aus.

Veranstaltungs-Tipp:

Die Stadtbaurätin Bianca Urban lädt die interessierte Öffentlichkeit für Freitag, 18. August, 15 Uhr ins Commedia auf der Nordwolle ein. Bei der öffentlichen Veranstaltung soll es um die Delmenhorster Trinkwasserversorgung gehen. Dabei anwesend sein werden auch Fachleute der Stadtverwaltung und Vertreter von den Stadtwerken.

                          Foto: Konczak

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