Im Juli 1970 begann in der Langen Straße der Abriss von Häusern für den Bau des Karstadt-Kaufhauses. Foto: Stadtarchiv
Geschichte

Es beginnt im Jahr 1881

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Die Geschichte der Kauf- und Warenhäuser

Die Geschichte beginnt mit Rudolph Karstadt. Er eröffnet 1881 in Wismar ein Tuch-, Manufactur und Confectionsgeschäft“. Etwa zur gleichen Zeit – im Jahr 1885 – übernimmt Theodor Althoff das „Kurz-, Woll- und Weißwarengeschäft“ seiner Eltern in Dülmen in Westfalen.

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte entwickelt sich aus dem Textilgeschäft von Rudolph Karstadt ein Großunternehmen mit 25 Waren- und Kaufhäusern in Nord- und Mitteldeutschland. Theodor Althoff besitzt insgesamt 15 Waren- und Kaufhäuser, verteilt aufs Rheinland, Westfalen und Leipzig.

Die Gleichartigkeit der Unternehmen führt im Jahr 1917 zu einem ersten Treffen der beiden Geschäftsleute. Im Mai 1920 führen sie ihre Unternehmen zusammen und gründen die Rudolph Karstadt Aktiengesellschaft.

Blick über die Baugrube auf die Häuser dahinter. Foto: Stadtarchiv

Ein Kaufhaus für Möbel

Auch in Delmenhorst gibt es bereits früh Kaufhäuser. Der Kaufmann Wilhelm Mühlenbrock kauft im Jahr 1886 von Heinrich Strohmann das Haus Lange Straße 106 (später 95), um dort ein Jahr später ein Möbellager zu eröffnen. Zusätzlich kauft er ein Grundstück, welches von der Großen Kirchstraße bis an die Lange Straße heranreicht. Bald umfasst das Sortiment Haus- und Küchenbedarf aller Art, darunter auch Möbel, Spielsachen und Porzellan. 1926 setzt er sich zur Ruhe und übergibt das florierende Geschäft an seinen Sohn Carl.

Da Carl jedoch im Januar 1943 stirbt, führt zuerst dessen Witwe Käte und ab der 1950er Jahre der gemeinsame Sohn Hans Gert das Unternehmen fort. Er lässt 1958 die Häuser Lange Straße 97 und Kirchstraße 15 baulich miteinander verbinden, sodass man eine 45 Meter lange, durchgängige Schaufensterfront erhält. Erst 1970 endet die Ära dieses Kaufhauses.

Im Juli 1970 beginnt der Abriss einer Häuserzeile an der Langen Straße zwischen Kirch- und Schulstraße. Hier eröffnet am 6. September 1973 das Karstadt Kaufhaus. Es verfügt sogar über ein eigenes Parkhaus. Die Verkaufsfläche umfasst 6.450 Quadratmeter, verteilt auf drei Etagen. 70.000 Artikel umfasst das Warenangebot.

Karstadt setzt sich für Kultur ein

Karstadt nutzt einen Teil der ehemaligen Mühlenbrock-Immobilie, um dort Sportartikel und Sonderposten zu verkaufen. Dieser Altbau wird erst 1989 abgerissen, um Platz für ein modernes Wohn- und Geschäftshaus zu schaffen: Der „City Point“ wird am 10. Oktober 1991 eröffnet.

Vor allem in den Anfangsjahren lässt sich die Geschäftsleitung von Karstadt einiges für die Delmenhorster einfallen und richtet zum Beispiel ein „Großes E-Jugend-Fußballturnier“ um den „Karstadt-Preis und Pokal“ aus. Daran nehmen 16-E-Jugend-Mannschaften aus Delmenhorst und der Umgebung teil.

Zahlreiche Delmenhorsterinnen und Delmenhorster erinnern sich sicherlich noch daran, dass Karstadt in der Adventszeit seine Kundinnen und Kunden zu einem Bummel über den großen, hausinternen Weihnachtsmarkt einlädt, bei dem es viele hübsche Artikel zu kaufen gibt. Vor allem bei den jüngeren Besuchern sind das Verzieren von Kerzen und die Waffelbäckerei beliebt.

Karstadt beteiligte sich mit einem Mottowagen am Umzug des Delmenhorster Kramermarktes. Foto: Stadtarchiv (Karstadt Inseratenbuch)

Prominenz zu Besuch

Anlässlich des Kramermarktes im Herbst 1974 gastiert der Schlagerstar Graham Bonney am 7. September im Delmenhorster Kaufhaus. Er gibt eine Stunde lang Autogramme. Für Graham Bonney ist die Zeit knapp bemessen: In Hamburg wartet bereits der Vertrag mit einer neuen Schallplattenfirma. Damit nicht genug, spielt vor dem Kaufhaus der Jugend-Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Ganderkesee. Im Haus kann man sich auf Sonderangebote freuen. Ein Aalbrötchen gibt es für 1,25 DM, ein Pfeffersteak mit Brötchen kostet 1,75 DM und Bier vom Fass 50 Pfennig.

7. September 1974: Autogrammstunde mit Graham Bonney Foto: Stadtarchiv (Karstadt Inseratenbuch)

1994 erwirbt die Karstadt AG das Stammkapital der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH. Der Name Hertie geht übrigens auf Hermann Tiez zurück, den Onkel und Geldgeber von Oscar Tiez, der das Stammhaus am 1. März 1882 eröffnet hat. Der neue Name kommt während der Nazi-Zeit auf, als Kaufhäuser nicht mehr unter dem jüdischen Namen Tiez geführt werden dürfen. Hertie ist bis zur Übernahme durch Karstadt einer der führenden Warenhauskonzerne in Deutschland.

Karstadt wird zu Hertie

Ab 2000 übernimmt Karstadt auch den Betrieb der Hertie-Kaufhäuser. 2005 gehen die kleineren Karstadt-Häuser, zu denen auch das in Delmenhorst gehört, in der Gesellschaft „Karstadt kompakt“ auf, die an britische Investoren verkauft wird. Und weil diese auch die Rechte am Namen „Hertie“ eintragen lassen, wird das Kaufhaus an der Lange Straße zum 1. März 2007 auf das „Hertie-Logo“ getrimmt und das Warensortiment neu ausgerichtet. Die 58-köpfige Belegschaft feiert „den Eintritt in ein neues Zeitalter“. Neuer Geschäftsführer ist Frank Starke. Ihn löst im Folgejahr Tilman Stein ab. Der Slogan „Zum Glück gibt‘s Hertie“ hat allerdings nur kurze Zeit Bestand. Die insolvente Warenhauskette will bis März 2009 an 19 von insgesamt 73 Standorten den Filialbetrieb einstellen – auf der Streichliste steht auch Delmenhorst. Bundesweit bangen 4.100 Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz – darunter 38 in Delmenhorst.

Auf dem Dach des Karstadt-Kaufhauses entsteht eine Camping-Ausstellung.

Am Freitag, 13. Februar 2009, läuft bei Hertie der Räumungsverkauf an. Inkoop schließt am 21. Februar seinen City-Supermarkt im Untergeschoss. Das Kaufhaus schließt am 5. März 2009. Die Unternehmensleitung sieht auf lange Sicht keine positive wirtschaftliche Entwicklung mehr für den Standort Delmenhorst. Wenig später werden die Mitarbeiter freigestellt. Besonders traurig: Die Belegschaft kann nicht mit Abfindungen rechnen. Bei den Verhandlungen zum Sozialplan wird festgestellt, dass nicht genügend finanzielle Mittel vorhanden sind. „Die Mitarbeiter stehen mit leeren Händen da. Das ist eine der bittersten Insolvenzen, die ich miterlebt habe“, zitiert eine Delmenhorster Zeitung Johann Rösch von der Gewerkschaft ver.di.

April 2010: Regalböden, Schaufensterpuppen, Büromobiliar und sogar dutzende Stoffballen lagern noch im Hertie-Gebäude. In wenigen Wochen muss die Immobilie besenrein sein. Für zwei Tage öffnet das Kaufhaus, um das restliche Inventar auf allen drei Ebenen zu verkaufen. Vielfach sind es Einzelhändler, vereinzelt auch Endverbraucher, die sich für die Ladeneinrichtung interessieren.

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