Weser Report: Wie stellt sich die Finanzsituation des Landes Bremen aus Sicht des Bundes der Steuerzahler dar?
Carl Kau: Wir sind Spitzenreiter bei der Verschuldung, bald 36.000 Euro pro Einwohner. Und das auf wackeligen Füßen, denn es stehen Urteile von verschiedenen Klagen aus: DFL gegen die Polizeikostenerstattung, die Handelskammer gegen die Ausbildungsabgabe, der Nachtragshaushalt, immerhin 2,5 Milliarden, wurde von der Opposition beim Staatsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt und dann gibt es noch den Länderfinanzausgleich mit der Klage Bayerns.
Die vergangene Legislatur war geprägt von der Corona-Krise. Bremen hat zur Bewältigung Schulden aufgenommen, um den Bremen-Fonds füllen zu können. War dieses Vorgehen aus Ihrer Sicht grundsätzlich gerechtfertigt und ist das Geld aus Ihrer Sicht korrekt ausgegeben worden?
Gerechtfertigt war es unseres Erachtens, denn Corona war eine unvorhersehbare weltweite Pandemie. Dass man Leuten, die davon besonders gebeutelt waren, unterstützt, ist richtig. Aber man hat auch Geld an Stellen ausgegeben, die in keiner Relation zu Corona standen, etwa die Freizeitkarten für Kinder und Jugendliche oder die Herrichtung öffentlicher Parks. Ich habe keine konkreten Zahlen, aber nach der Pareto-Regel würde ich sagen, 80 Prozent der Maßnahmen waren okay.
Danach hat Bremen mit dem Sondervermögen für Klima-Maßnahmen nachgelegt. Wie sehen Sie das?
Äußerst kritisch. Das Wort Sondervermögen spiegelt eine völlig falsche Tatsache wider. Wir haben keine Vermögenswerte sondern Schulden. Dann läuft es neben der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse. Das ist erstmalig und einzigartig in Deutschland. Der Begriff ist so weit gefasst, damit könnte man alles rechtfertigen. Ein Teil der Mittel soll für die überfällige Sanierung öffentlicher Gebäude verwendet werden. Das kann man nicht ernsthaft mit dem Klimawandel begründen.
Bremen hat sich selbst eine Notsituation konstruiert?
Der Klimawandel ist doch kein plötzliches und unvorhersehbares Ereignis. Wir reden doch seit Jahrzehnten vom Waldsterben, vom Ozonloch, von der CO2-Belastung. Deshalb hoffe ich, dass der Staatsgerichtshof in seinem Normenkontrollverfahren das als verfassungswidrig ablehnen wird.
Dennoch sind viele Maßnahmen, die über das Klimapaket finanziert werden sollen, nicht nur sinnvoll, sondern absolut notwendig. Wie könnten sie stattdessen finanziert werden?
Es werden alleine 900 Millionen Euro, die wir aus dem Länderfinanzausgleich bekommen, weitgehend verschwendet. Schauen Sie sich die Bauexperimente an, die wir machen: Martinistraße, Am Wall. Wenn wir übermäßig Flüchtlinge aufnehmen jenseits des Königsteiner Schlüssels, wenn wir zwar hohe Bildungsausgaben pro Kopf haben, aber keinerlei Ergebnisse erzielen, dann sieht man, dass das Geld hier nicht effizient eingesetzt ist. Deshalb haben wir als Bund der Steuerzahler auch Verständnis dafür, dass die Bayern, die den höchsten Anteil in den Länderfinanzausgleich zahlen, jetzt sagen, dass es so nicht gedacht war. Das Geld sollte in Wirtschaftskraft fließen, um die Länder unabhängig zu machen und ihnen wieder zu eigenen Steuereinnahmen zu verhelfen. Das ist hier in Bremen nicht der Fall.
Was ärgert Sie aktuell besonders?
Zu konkreten Fällen der Steuerverschwendung kann ich erst am 17. Oktober wieder etwas sagen. Dann veröffentlichen wir unser neues Schwarzbuch. Die Aufblähung der Bürgerschaft um drei Abgeordnete, statt sie um ein Mandat für Bremerhaven zu reduzieren, ärgert mich immens. Die Diätenerhöhung, die sich die Bürgerschaft außerdem gegönnt hat geht gar nicht. Darüber hinaus: Die ständigen Diskussionen, ob etwas eine Kommune bezahlt, ein Land oder der Bund, sind lächerlich. Da werden Scheindebatten geführt. Am Ende geht es immer zu Lasten desselben Steuerzahlers. Mich ärgert auch die Maßlosigkeit der Geldbeschaffung, die wir erleben. Im Bund mit „Wumms“ und „Doppelwumms“. Aber auch hier bei uns und das mit einer Hemmungslosigkeit: Allein in den vergangenen Jahren 3,7 Milliarden Sondervermögen für Corona und Klimawandel. Das kann doch niemals wieder jemand zurückzahlen.
Und das in Zeiten steigender Zinsen…
Der Staat wird eine Vervielfachung seiner Zinslast erleben. Gleichzeitig hat er die Phase der Nullzinsen, die wie für ihn geschaffen war, nicht zur Schuldentilgung genutzt. Statt die ersparten Zinsen in die Tilgung zu stecken, hat man einfach weiter gemacht. Das wird sich für künftige Generationen übelst rächen.
Was hilft dagegen?
Der Staat und auch Bremen muss dringend eine Aufgabenkontrolle durchführen. Wofür sind wir zuständig? Was sind eigentlich die Kernaufgaben des Staates? Wenn sie dem nicht gerecht werden – etwa im Bereich der inneren Sicherheit – fördern sie Staatsverdrossenheit und die Stärkung der politischen Ränder. Auf der anderen Seite muss sich der Staat nicht in unser Essen, unsere Heizung und unsere Sprache einmischen. Das sind Nebenkriegsschauplätze, die nur unnötig Geld kosten.