Rudolf Hickel ist Professor für Finanzwissenschaft am „Institut Arbeit und Wirtschaft“ an der Universität Bremen.Foto: pv Rudolf Hickel ist Professor für Finanzwissenschaft am „Institut Arbeit und Wirtschaft“ an der Universität Bremen. Foto: pv
Gastbeitrag

Schuldenbremse ausbremsen

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Über öffentliche Kredite zur Zukunftssicherung - eine Betrachtung von Rudolf Hickel

Das Grundgesetz verbietet seit 2009 den Ländern komplett und dem Bund jenseits der zulässigen strukturellen Verschuldung (0,35% des Bruttoinlandsproduktes) die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen.

Obwohl es sich um gesamtgesellschaftlich rentable Investitionen für nachfolgende Generationen in den ökologisch fundierten Wohlstand handelt, wird heute deren Finanzierung auf Steuererhöhungen und/oder Ausgabenkürzungen reduziert.

Dabei steigt der investive Finanzierungsbedarf des Staates durch die sich wechselseitig verstärkenden Mehrfachkrisen wie Coronakrise, Ukraine-Krieg, Energiekrise und die Inflation – und all das überlagert durch den Klimanotstand.

Dieser fiskalische Druck hat die Flucht aus dem Verschuldungsverbot beschleunigt. Ausgangspunkt sind die beiden Ausnahmen „Naturka-tastrophen“ und „außerordentliche Notlagen“. Dieser durch die fiskalische Not getriebenen Schuldenpraxis hat das Bundesverfassungsgericht am 15. November 2023 einen Riegel vorgeschoben. Anlass war die Trickserei des Bundes per Verschiebung von 60 Milliarden Euro aus den Corona-Nottöpfen in den „Klima- und Transformationsfonds“.

Weit über den Anlass hinaus erklärt dieses Urteil alle staatlichen Fonds mit Kreditermächtigungen für mehrere Jahre für verfassungswidrig.

Gegen diese „Schulden auf Vorrat“ besteht das Verfassungsgericht jenseits der ökonomischen Vernunft auf dem Prinzip: Kreditmittel lassen sich zur Finanzierung der Maßnahmen infolge der „außerordentlichen Notlage“ ausschließlich für das jeweilige Haushaltsjahr einsetzen. Daher müssen beim Bund der „Klima- und Transformationsfonds“ und der „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ aufgelöst werden.

Aber auch viele Bundesländer sind mit ihren vergleichbaren Fonds betroffen. In Bremen steht der auf den soliden Ergebnissen einer Enquetekommission, die einen Gesamtbedarf zwischen 6 und 7 Milliarden Euro ermittelt hatte, vorgelegte Klimafonds. Dafür sind 2,5 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen bis 2027 und einer Tilgung über 30 Jahre ab 2028 vorgesehen worden.

Fehlentwicklungen neu regeln

Diese entwicklungsblockierende Schuldenbremse ist mittlerweile auch international heftig umstritten. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht allerdings sehr engstirnig nur das interpretiert, was seit 2009 in der Verfassung steht.

Jetzt stellt sich die Aufgabe, aus den unübersehbaren Fehlentwicklungen durch dieses Verschuldungsverbot die Kreditaufnahme im Grundgesetz neu zu regeln. Dabei bleibt es bei dem schon vor 2009 geltenden Verbot, öffentliche Konsumausgaben mit Schuldtiteln zu finanzieren.

Bei den öffentlichen Investitionen wird dagegen wieder zu der zuvor geltenden „goldenen Regel“ zurückgekehrt: Der Einsatz von investiven Krediten ist sinnvoll.

Im Kampf gegen die Klimakrise wird heute für die nachfolgenden Generationen das Erbe eines klimaneutralen Wohlstands erzeugt. Gegenüber den durch Nichtstun entstehenden, kaum noch beherrschbaren Kosten schlagen die künftig jährlichen Zinszahlungen und Tilgungen kaum zu Buche. Sie werden aus dem dann ökologisch fundierten Wohlstand finanziert werden.

Diesem Beitrag zur Generationengerechtigkeit aus der heutigen Klimakrise heraus ist der Klimafonds mit 2,5 Milliarden Euro im Land Bremen gefolgt. Mit dem neuen Nachtragshaushalt ist hier das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt worden.

Vorgesehen sind 362 Millionen Euro Kreditaufnahme für dieses Jahr. Allein schon wegen der Fortsetzung der Projekte gegen den Klimanotstand, die sich nicht in einem Jahr abwickeln lassen, gilt für 2024 die „außerordentliche Notlage“. Bremen argumentiert mit dem „Klimanotstand“, den übrigens das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht angezweifelt hat.

Weiterer Klärungsbedarf

Wie sollte die Bremer CDU nach der Anpassung des Landes Bremen an das Urteil aus Karlsruhe mit ihrer Verfassungsklage gegen den ersten Nachtragshaushalt mit 3 Milliarden Euro beim Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen umgehen?

Gegen das naheliegende machtpolitische Auskosten der Klage steht die Tatsache, dass die CDU aus Karlsruhe auch recht bekommen hat. Die Klage zurückzuziehen verdiente gesamtpolitische Anerkennung.

Weiterer Klärungsbedarf besteht: Die CDU hat in der Bürgerschaftswahl gegen den geplanten Klimafonds per Nachtragshaushalt mit der Auflage einer „Klimananleihe“ geworben. Steht die CDU noch zu diesem Vorschlag?

Oder haben sich die offensichtlichen Risiken dieser über die „BAB Bremer Aufbau-Bank“ gemanagten Anleihen herumgesprochen?

Um sinnvollen Projekte des vorliegenden „Klimafonds“, auf den die CDU durch den Vorsitz der Enquetekommission konstruktiv Einfluss nehmen konnte, zu realisieren, braucht es jetzt den übergreifenden Schulterschluss der demokratischen Parteien.
Rudolf Hickel

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