Die von Personalmangel geplagte Bremer Polizei arbeitet seit Sommer 2023 daran, einen Berg an Altfällen abzuarbeiten. Mit Unterstützung der Kontaktpolizisten (Kops) sollte die Zahl der 18.000 liegen gebliebenen Fälle bis Jahresende halbiert werden. „Bislang wurden den Kops 5.752 Fälle zur Bearbeitung zugewiesen“, sagt Nils Matthiesen, Pressesprecher der Polizei Bremen. Zuletzt wurde die Maßnahme bis Ende März verlängert.
Laut dem Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bremen, Nils Winter, handelt es sich bei den Fällen zumeist um Diebstahldelikte, die möglichst keine Ermittlungsarbeit erfordern. Pro Tag behandeln die Kops einen Fall. „Bei schwierigen Fällen kriegen sie Unterstützung von der Kriminalpolizei“, sagt Winter.
Die Maßnahme war in gewisser Weise ein Erfolg, denn: „Die Kriminalakten sind nicht mehr mehrere Jahre, sondern nur noch Monate alt“, sagt Bernard Soika, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Bremen. Doch die Kops seien laut Soika nicht unbedingt zufrieden mit ihrer Situation. Die Arbeit in den Bezirken stelle die Leidenschaft der Kops dar, sagt auch Matthiesen. Dieser können die Kops aber immer unregelmäßiger nachgehen.
Fallzahlen könnten wieder steigen
Ein Kontaktpolizist, der anonym bleiben möchte, macht seinen Unmut deutlich: „Mit dem Rad durch die Straßen fahren und dem Bürger zuzuhören, ist nicht mehr möglich. Nachbarschaftsstreitigkeiten anhören und vermitteln ist nicht mehr möglich. Regelmäßig bei Kitas oder Kindergärten ‚Hallo‘ sagen ist nicht mehr möglich. Fahrradprüfungen in den vierten Klassen werden dieses Jahr unglaublich schwierig zu bewerkstelligen sein. Opfernachsorge nach Raub oder Einbrüchen wird zeitlich schwer zu stemmen sein.“
Der Umstand, dass die Kops seltener auf den Straßen zu sehen sind, könnte wiederum dazu führen, dass die Fallzahlen wieder steigen. Dies bestätigen sowohl die DPolG als auch die GdP Bremen mit ihren Beobachtungen. „Die Polizei Bremen setzt ihr Personal aktuell reaktiv nach einem Delikt ein, anstatt Präventiv, um solche Straftaten zu verhindern“, so Soika. „Die Fallzahlen sind im Sommer zuletzt angestiegen. Seitdem die Kops nicht mehr in gleicher Weise ihrer Arbeit nachgehen können, stapelt sie sich in den Stadtteilen“, sagt Winter von der GdP.
Laut Soika ist auch die kurze Bearbeitungszeit problematisch. Zwar seien die Kops gut geschult, sodass sie die Akten professionell abarbeiten können, priorisiert werde aber, dass „die Halde schnell abgearbeitet wird, sodass auch mal Vorgänge eingestellt werden, obwohl es vielleicht noch Täterhinweise gegeben hätte.“ Zusätzlich sind Kontaktpolizisten bei Demonstrationszügen und Verkehrslenkungsmaßnahmen im Einsatz.
Verstärkung naht
Hilfe soll zum 1. April kommen, wenn wieder 62 junge Menschen ihre Ausbildung beenden. Dann sollen die fehlenden Stellen bei den Kops besetzt werden können, laut Koalitionsvertrag ist das Ziel die Zahl von 110 Kops.
Ob aber die jungen Polizisten am Ende Kop sein möchten ist unklar. „Da wollen die jungen Polizisten meist nicht hin“, sagt Winter. Die jüngsten Kops seien Ende 30. Junge Polizisten werden laut GdP-Chef eher im Einsatz- und Bereitschaftsdienst gebraucht, da die Schichtarbeit anstrengend und intensiv ist. „Erst in den späteren Jahren möchten die Polizisten freiwillig zu den Kontaktpolizisten“, sagt Winter.
Problematisch ist auch das Thema Digitalisierung. Diese geht laut DpolG und GdP in den Behörden zu schleppend voran. „Nicht alle Polizisten haben Smartphones. Auch die Papierakten stapeln sich“, sagt Winter. EC-Kartenlesegeräte, Artus Mobile, also eine App zur schnellen mobilen Datenerfassung für alle Streifenwagen, sowie digitale Kriminalakten könnten, so Soika, den Beamten die Arbeit zusätzlich erleichtern.