Der erst kürzlich vorgelegte Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz könnte auch ein Zuchtverbot für einige der beliebten Hunderassen wie Schäferhund, Dackel (im Bild) oder Cocker Spaniel bedeuten.Foto: stefvet auf Pixabay
Gesetzesnovelle

Tierschutz versus „Qualzucht“

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Dem beliebten Dackel und seltenen alten Hunderassen wie Viringo und Xoloitzcuintle drohen Zuchtverbote.

Droht Zuchtverbot beliebter Hunderassen?

Im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wird an einer Novelle des Tierschutzgesetzes gearbeitet. Im jetzt vorgelegten Entwurf soll auch die „Qualzucht“ von Haustieren verboten werden. Was das genau sein soll, ist umstritten. Dies könnte aber das Ende für die Zucht beliebter und seltener Rassen sein, befürchtet der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH): „Ob zu groß, zu klein oder ,anders‘ – die Zucht mit gesunden Hunden könnte verboten werden.“ Die im Gesetz aufgeführten Merkmale, wie „Anomalien des Skelettsystems“, würden auch Größenabweichungen des Hundes als unerwünschte Zucht vorsehen.

Haushunde sind keine zahmen Wölfe

Schon die Herangehensweise, den Wolf als Standard für den Haushund darzustellen, sieht die Bremer Wildtierärztin Dr. K. Alexandra Dörnath, Leiterin der Tierarztpraxis Klein Mexiko, als problematisch an. Wölfe und Haushunde hätten kaum noch etwas gemein. Hunde seien keine zahmen Wölfe und Wölfe keine wilden Haushunde. Letztere stammten ebenso wenig in direkter Linie vom Wolf ab wie der Mensch vom Schimpansen. Deshalb finde man weder für Hunde noch für Menschen die Antworten auf alle Lebensfragen bei Wölfen oder bei Primaten im Zoo, betont Dörnath.

Ein Verbot basiert nicht auf Fakten, sondern auf Ideologie

„Insbesondere der beliebte Dackel, den es seit Jahrhunderten gibt, könnte einem Zuchtverbot unterliegen“, befürchtet der Vorsitzende des VDH-Landesverbandes Niedersachsen, Denis Gautheret. Dabei unterlägen diese freundlichen und charakterstarken Hunde grundsätzlich keinen Schmerzen, Leiden oder Schäden, weil sie Dackel sind. Sie verbieten zu wollen, basiere nicht auf Fakten, sondern auf Ideologie.

Alte Hunderassen als Kulturgut

Auch die seit etwa 3.700 Jahren existierenden, sehr seltenen Hunderassen Viringo („Peruanischer Nackthund“), Xoloitzcuintle („Mexikanischer Nackthund“) und Chinesischer Schopfhund fielen – wegen „Haarlosigkeit“ – unter ein Verbot. „Dabei sind diese Hunde gar nicht nackt, sondern sie haben biologisch gesehen eine haararme Haut“, so Dörnath. Sie fährt fort: „Der Viringo ist ein Kulturgut. Schutz und Zucht sind in Perus Verfassung verankert. Würden diese Hunde verboten, käme es zu diplomatischen Konflikten.“

Mauerbau und Zuchtverbote

Der BMEL-Sprecher Oliver Köhler erklärt zur Novelle: „Wir wollen die bestehenden Regeln zur Qualzucht um eine nicht abschließende Liste mit möglichen Symptomen ergänzen. Es geht um die Gesundheit der Tiere – nicht, wie behauptet, um das pauschale Verbot bestimmter Rassen.“ Diese Aussage erinnert Dörnath an den Ulbricht-Ausspruch von 1961: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“, dem der Mauer-Bau folgte. Damit es bei Hunderassen nicht zu einem ähnlichen „Nachspiel“ kommt, hat der VDH eine Petition eingereicht (tierschutz.vdh.de/tierschutzgesetz).

Die Zucht darf kein Leid hervorrufen

Unterstützung für die Gesetzesnovelle kommt vom gelernten Buchhändler und Kommunikationswirt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes: Er begrüße eine Erweiterung des §11b des Tierschutzgesetzes. Dabei stehe in diesem Paragrafen bereits jetzt, dass züchterische Veränderungen, die zu Leiden, Schäden, Schmerzen führen, verboten seien, so Dörnath.

Fakten zählen bei Verbots-Lobby nicht

Der Biologe Dr. Martin Singheiser, Geschäftsführer vom Bundesverband für fachgerechten Natur-, Tier und Artenschutz (BNA) betont: „Die im Sinne des Tierschutzes zu verfolgende Strategie muss die sein, die wirklich tierschutzrelevanten sogenannten Qualzuchten wissenschaftlich basiert aufzulisten.“ Die heutige Verbots-Lobby interessiere sich nicht für Fakten, sagt Gautheret. Sie fördere aber Desinformation.

Paragraf 11b-Tiere als passender Begriff

„Der Begriff ,Qualzucht‘ ist äußerst unpassend“, so Dörnath. „Er ist kein tierschutzrechtlicher Begriff, unterstellt Absicht, ist plakativ, unsachlich und generiert Empörung“. Er habe sich vom Laien- zum Kampfbegriff entwickelt. „Um mehr Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen, soll man lieber von Paragraf-11b-Tieren sprechen“, so die im Tierschutz engagierte Tierärztin. Sie wünscht sich mehr Wissenschaftlichkeit in dieser hoch emotionalen Debatte.

Kommentar: Keine Schnellschüsse

Martin Bollmann

Ausgerechnet bei der Novelle des Tierschutzgesetzes könnte sich ein weiterer Schnellschuss aus Cem Özdemirs Ministerium (BMEL) ankündigen: Nach dem Verwirrspiel um das aus einem anderen grünen Ministerium stammende Heizungsgesetz könnte es jetzt Haustiere treffen, von denen einige Rassen bald vielleicht nicht mehr gezüchtet werden dürfen. Noch kommt aus dem Ministerium ein Dementi, dass man die Zucht von Rassen verbieten wolle – sondern lediglich die „Qualzucht“. Die ausschlaggebenden Merkmale werden aber nicht genannt. Zudem orientieren sich die unerwünschten „Anomalien“ am Wolf und nicht am Leid des Haustieres. Dabei sind züchterische Veränderungen die zum Schaden des Tieres führen, schon heute verboten. Dafür brauchen wir kein neues Gesetz, sondern die Anwendung des bestehenden Rechtes.

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