Kuratorin Lena Reichelt (links) und Dr. Matilda Felix, Leiterin der Städtischen Galerie, führten am Donnerstag die Presse durch die Ausstellung. Fotos: Konczak
Kunst

Das Vermächtnis von Kataklump

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Städtische Galerie zeigt Kunst, Lyrik und Briefe von Fritz Stuckenberg und Paul van Ostaijen

Fritz Stuckenberg ist mit seinen verschiedenen Stilphasen ein variationsreicher Künstler. Oft waren es sein Wohnort und der Freundeskreis, die seine Ausdrucksweisen prägten. In der neuen Ausstellung „Kataklump“, die am vergangenen Freitag eröffnet wurde und bis zum 18. August in der Städtischen Galerie Haus Coburg läuft, stehen die (Brief-)Freundschaft zwischen Fritz Stuckenberg und Paul van Ostaijen sowie Stuckenbergs Zeit in Seeshaupt im Mittelpunkt.
Die beiden Männer lernten sich kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Berlin kennen. Intellektuell begegneten sie sich im Diskurs über die Abstraktion und das kreative Potenzial der Kunst als ein Experimentierfeld. Diese Überzeugung und eine große persönliche Sympathie schweißten die beiden für einige Jahre sehr eng zusammen. Sie verband mehr als eine rein platonische Freundschaft.

Stürmische Freundschaft

Dass Stuckenberg 1919 von Berlin nach Seeshaupt zog, hatte viele Gründe. Zwar gehörte er seit 1916 zum engsten Kreis der Sturm-Galerie von Herwarth Walden und stand damit im Zentrum des Berliner Kunstbetriebs. Aber spätestens nach dem Ersten Weltkrieg wurde deutlich, dass die vielfältigen Aktivitäten Waldens unterfinanziert waren und die beteiligten Künstlerinnen und Künstler monetär nicht profitierten.

Stuckenberg wandte sich enttäuscht von dem Galeristen ab und begann, andere Zirkel zu suchen. Darin bestärkte und begleitete ihn der Lyriker und Kunsthändler Paul van Ostaijen. Mit ihm erlebte Stuckenberg ein rauschhaftes Silvester 1919, bevor er in die Bayrische Provinz zog. „Die köstliche Amoralität oder besser Antimoralität unserer Freundschaft ist ein weißglutnacktes Nervendiagramm“, schrieb Stuckenberg im Januar 1920 nach Berlin.

Aber das Landleben versprach in der krisengeschüttelten Zeit nicht nur eine bessere Versorgungslage durch Lebensmittel. Hier ließ sich auch die Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin Erika Deetjen leichter geheim halten, solange der seit 1915 in erster Ehe verheiratete Stuckenberg nicht geschieden war. Den Ausschlag für Seeshaupt als Wohnort gab sicher auch Heinrich Campendonk, ebenfalls ein Sturm-Künstler. Er lebte in dem Dorf, hatte aber weiterhin gute Kontakte nach München.

Obwohl Stuckenberg in den kommenden Jahren andauernde Existenzsorgen hatte und die Chemie zwischen ihm und Campendonk nicht stimmte, ist er in dieser Zeit (1919 – 1921) künstlerisch äußerst produktiv. Zentrale Themen seiner Werke sind die Erotik und die sexuelle Ekstase, die für ihn Ausdruck einer kreativen Energie waren. In kubistischer Abstrahierung werden verschlungene Körper in Bewegung versetzt und mit kosmischen Sphären assoziiert. Nicht immer reichte das Geld für Leinwände, im Winter konnte er das unbeheizte Atelier nicht nutzen und so emanzipieren sich die Farben im kleineren Aquarell-Format zunehmend von der Form.

Der intensive Briefwechsel mit Paul van Ostaijen schildert diese entbehrungsreichen Jahre in allen Facetten. Immer wieder geht es um die Abstraktion in Bild und Lyrik, um Kunstverkäufe und Ausstellungsbeteiligungen.

Intime Einblicke in das Leben

Die Ausstellung im Haus Coburg ist spannend kuratiert. Die Galerieleitung, Dr. Matilda Felix, und Kuratorin Lena Reichel haben sie in vier, farblich und thematisch unterschiedlich gestaltete Haupträume unterteilt. An den Wänden findet man neben exzellenter Kunst, die zum großen Teil aus der Sammlung der Stadt Delmenhorst besteht, und um Leihgaben ergänzt wurde, Auszüge aus dem intensiven Briefwechsel. Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung erhalten für ihren Rundgang ein Buch mit vielen Erklärungen.

So schmiedeten die Freunde Pläne, eine eigene Künstler-Gruppe zu gründen. In ihren Briefen spielten sie mögliche Mitstreiter durch und suchten nach einem Namen.

Stuckenberg schlägt am 8. April 1920 Bezeichnungen wie „die Eiferer, die Leuchtenden, die Entrückten“ vor und Paul van Ostaijen antwortet am 12. April 1920: „Eiferer finde ich zu naiv; die Leuchtenden zu pretentiös und die Entrückten zu weltfremd.“ Seine Alternativen: „der Gong (das g vorne und hinten, wie das klingt) oder der Kataklump. Diese Namen sind nicht lächerlich zu machen, ohne dass der betreffende Kritiker sich lächerlich macht.“
Die Künstler-Gruppe gründete sich jedoch nie, eine geplante Ausstellung konnte ebenfalls nicht realisiert werden. „Das holen wir nun viele Jahrzehnte später nach“, freut sich Felix.

Poetische Performance und Metaphysischer Jazz

Im Verlauf der Ausstellung „Kataklump“ gibt es performative Lesungen der Gedichte Paul van Ostaijens, die finanziell von der flämisch-niederländischen Organisation deBuren, dem Auswärtigen Amt Flanderns und dem Europäischen Laboratorium ermöglicht werden. Der erste Termin ist am Sonnabend, 25. Mai, um 19 Uhr. Übersetzerin Anna Eble und Autor Matthijs de Ridder interpretieren Paul van Ostaijens Lyrik. Ein weiterer Termin in diesem Zusammenhang ist eine Lesung mit dem Titel „Metaphysischer Jazz“ am 15. August, 18 Uhr.

Donnerstags darf man auf Stippvisiten zu verschiedenen thematischen Inhalten gespannt sein. Die Galerieleitung, Dr. Matilda Felix, legt am 23. Mai, den Fokus auf den Künstler und die Person Fritz Stuckenberg. Der Buchautor Matthijs de Ridder beschäftigt sich am 20. Juni mit Paul van Ostaijen. Beginn ist jeweils um 18 Uhr.
Die Kuratorin Lena Reichelt lädt für Sonntag, 2. Juni, 15 Uhr zu einem Rundgang durch die Ausstellung ein. Zudem bringt sie interessierten Besucherinnen und Besuchern am Sonntag, 23. Juni, 11 Uhr den Künstler Heirich Campendonk näher.

Unter dem Titel „Von klangvollen Kunstwörtern und Lautgedichten“ bietet Katrin Seithel am Sonnabend, 8. Juni einen Workshop für Kinder an. Die sollen sich von den Lautgedichten von Paul van Ostaijen inspirieren lassen, um dann mit selbst entworfenen oder vorhandenen Buchstabenstempeln eigene Kunstwörter und Gedichte zu erschaffen.

Das komplette Programm und weitere Informationen findet man unter hauscoburg.de.

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