Heute weiß man, dass mindestens 144 Delmenhorsterinnen und Delmenhorster im Nationalsozialismus in der „Heil- und Pflegeanstalt Wehnen“ brutal ermordet wurden. Insgesamt wurden dort mehr als 1.500 Patienten Opfer der NS-Ideologie. Beamte, Ärzte und Pflegekräfte fungierten als Täter.
Über 1.500 ermordete Patienten
Jüngst versammelten sich an mehreren Orten im Stadtgebiet Menschen, um den Euthanasie-Opfern aus Delmenhorst zu gedenken. Auf Initiative des Freundes- und Förderkreises der Jüdischen Gemeinde Delmenhorst wurden am 21. Juni fünf neue Stolpersteine verlegt. Damit erinnern nunmehr 42 Stolpersteine an Menschen, die Opfer der Nationalsozialisten wurden.
Zwei der fünf neuen Gedenksteine befinden sich auf dem Geländes des Albertushofes. Für die zur Stiftung Waldheim Cluvenhagen gehörenden Einrichtung war das Vorstandsmitglied Carl-Georg Issing anwesend. Die weiteren Stolpersteine befinden sich im Hundertsten Weg 6, in der Friedensstraße 65 sowie Lange Straße 42.
Tatort: „Heil- und Pflegeanstalt Wehnen“
Die neuen Stolpersteine gedenken Frauen und Männern, die früher in Delmenhorst lebten und in die „Heil- und Pflegeanstalt Wehnen“ eingeliefert wurden. Die Bezeichnung als Heil- und Pflegeanstalt ist in diesem Zusammenhang geradezu pervers, da den Patienten dort nicht geholfen wurde, sondern sie Zwangsarbeit verrichten mussten und – wenn sie dafür zu schwach waren – durch die Kürzung ihrer eh schon nicht üppigen Lebensmittelration verhungerten.
Sie wurden ermordet, weil sie anders waren. Anders als die Vorstellungen der damaligen Machthaber von einer reinrassigen Volksgemeinschaft – anders als die Utopien eben auch von Ärzten und Psychiatern über ein Volk ohne Behinderungen, Krankheiten und Schwächen.
Gedenkkreis Wehnen macht Euthanasie-Opfer sichtbar
Dass ihre und weitere Biografien mittlerweile bekannt sind, ist dem Engagement der Angehörigen der damaligen Patientinnen und Patienten zu verdanken. Los ging es 1997. Damals veröffentlichte Dr. Ingo Harms das Buch „Wat mööt wi hier smachten …“ – Hungertod und ‚Euthanasie‘ in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen im Dritten Reich“.
Das war der Anstoß und damit der Beginn des Gedenkkreises Wehnen. Hier können sich die Gleichgesinnten austauschen. Doch das war nur der Anfang. Im April 2004 wurde die Gedenkstätte Wehnen für die Opfer der oldenburgischen Krankenmorde eröffnet. Sie befindest sich auf dem Gelände der heutigen Karl-Jaspers-Kinik, Hermann-Ehlers-Straße 7, in Bad Zwischenahn (Wehnen).
Öffentliche Ausstellung
Die Ausstellung wendet sich an die interessierte Öffentlichkeit. Die Besucher können sich mit den Lebensgeschichten von Opfern und ihren Familien beschäftigen, finden Dokumente zu den Vorgängen in der Anstalt Wehnen zur Zeit der NS-Herrschaft und zur „Erbgesundheitsmedizin“ im Oldenburger Land und zum überregionalen Gesamtgeschehen der NS-„Euthanasie“. Darüber hinaus befindet sich dort eine Präsenzbibliothek zum Thema „Medizin im Nationalsozialismus“. Die Gedenkstätte ist dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr sowie sonntags von 12 bis 16 Uhr geöffnet.
Zusätzlich wird immer am letzten Freitag im Monat eine Führung angeboten. Die Veranstaltung dauert 90 bis 120 Minuten, die Teilnahme kostet 5 Euro pro Person. Info unter Telefon 0441/9 99 27 70 oder per E-Mail buero@gedenkkreis.de.
Spendenaufruf
Die Gedenkstätte muss saniert und soll erweitert werden. Dafür werden dringend Spenden benötigt. Die Landkreise und kreisfreien Städte, die der Gemeinschaft „Das Oldenburger Land“ angehören, haben einen Zuschuss in Höhe von jeweils 5.000 Euro in ihren Haushalten verankert. Dazu gehört auch die Stadt Delmenhorst.
Alle weiteren Informationen zur Gedenkstätte und den Gedenkkreis findet man im Internet unter gedenkstaette-wehnen.de.