In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der pflegebedürftigen Personen in Delmenhorst verdoppelt. Von knapp 2.860 im Jahr 2015 ist die Zahl auf 5.787 im Jahr 2021 gestiegen. Das Statistische Landesamt Niedersachsen prognostiziert, dass diese Zahl weiter rapide ansteigen wird. Diese Entwicklung stellt die Stadt vor immense Herausforderungen.
2021 wurden 4.243 Pflegebedürftige zuhause gepflegt
Ein kürzlich veröffentlichter Pflegebericht für die Stadt Delmenhorst zeigt auf, dass die vorhandenen Pflegeeinrichtungen bei weitem nicht ausreichen. Im Jahr 2021 konnten nur 890 Personen ambulant und 654 stationär versorgt werden, während 4.243 Pflegebedürftige zuhause, oft von ihren Angehörigen, gepflegt wurden.
Im Jahr 2021 waren 311 Personen in der ambulanten Pflege beschäftigt, davon 196 in Vollzeit. Das bedeutet, dass auf jeden Vollzeitbeschäftigten rechnerisch 4,54 Pflegebedürftige kamen. In der stationären Pflege waren es 666 Beschäftigte, davon 488 in Vollzeit, was zu einem Verhältnis von 1,34 Pflegebedürftigen pro Vollzeitkraft führte.
Besonders problematisch ist die unzureichende Datenlage zum Thema Demenz. Laut Berechnungen der Alzheimer Europe gab es 2021 in Delmenhorst rund 1.200 Frauen und 752 Männer über 60 Jahre, die an Demenz erkrankt sind. Der Pflegebericht betont die besondere Bedeutung der Betreuung bei solchen Erkrankungen.
Es fehlen Fachkräfte in der Pflege
All das macht deutlich, dass nicht nur in Delmenhorst dringend mehr Fachkräfte benötigt werden. Neu ist diese Erkenntnis nicht. Bereits vor vier Jahren stand im niedersächsischen Landespflegebericht, dass „in keiner Region in Niedersachsen eine Arbeitsmarktreserve vorliegt, die mobilisiert werden kann.“
Um die Situation zu entspannen führte man die Generalistische Ausbildung zur Pflegefachkraft ein. Allerdings bricht mehr als die Hälfte der Azubis ihre Ausbildung vorzeitig ab. Einer der Gründe könnte darin liegen, dass die gesetzliche Reglung in Niedersachsen keine Gehaltszahlung während der zweijährigen Ausbildung zur Pflegeassistenz sowie während der Qualifikation zur Fachkraft vorsieht. Darüber hinaus greifen bislang keine Fördermittel des Jobcenters sowie der Bundesagentur für Arbeit, welche zu einer auskömmlichen Entlohnung führen würden.
Ausbildung vergüten
Ganz anders beispielsweise im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Dort ist die Pflegeassistentenausbildung einjährig und wird bezahlt. Auf Anfrage wurde von Bildungsträgern in NRW berichtet, dass die Nachfrage groß sei, die Klassen gut belegt seien und eine hohe Abschlussquote erreicht werde. Um die Pflegeausbildung in Delmenhorst attraktiver zu machen, soll nun kurzfristig nach Finanzierungsmöglichkeiten geschaut werden.
Zukünftige Fachkräfte auszubilden ist für die Verantwortlichen in den Pflegeeinrichtungen jedoch nur ein Weg. Zusätzlich werden Fachkräfte aus dem Ausland angeworben. Soweit die Theorie: In der Praxis stellt der formelle Aufwand für das Anerkennungsverfahren, die Begleitung der Qualifizierung und auch das soziale Engagement einen nicht unerheblichen Aufwand dar. Zudem würden die ausländischen Fachkräfte lieber im Krankenhaus als in der ambulanten und stationären Langzeitpflege arbeiten, da die dortige Arbeitssituation eher der im Heimatland entspricht.
Pflegeportal Weser Ems
Um pflegende Angehörige zu entlasten, haben sie ein Anrecht auf Kurzzeit- oder Verhinderungspflegeangebote. In der Praxis fehlen aber – auch aufgrund des Personalmangels – freie Plätze, so dass dieses Angebot wenig genutzt werden kann. Eine Form der Unterstützung bietet in dem Zusammenhang das Pflegeportal Weser Ems. Dort tragen die Einrichtungen freie Pflegeplätze ein. In der Delmenhorster Fachverwaltung wirbt man für den Aufbau eines Demenznetzwerkes, in dem Angehörige ihre Erfahrungen austauschen könnten. Darüber hinaus müsse die Kommunikation zwischen den Hausärzten und den Pflegeeinrichtungen verbessert werden.
Erstellt wurde der Delmenhorster Pflegebericht von Michael Pleus, Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Er stieß im Ausschuss für Soziales und Gesundheit auf offene Ohren. In einer Fachtagung zum Thema Pflege (der Termin steht noch aus) soll das Thema vertieft werden und gemeinsam nach Lösungsansätzen gesucht werden. „Es werden viele niedrigschwellige Angebote benötigt“, so Pleus.